Drittes Luch.
Geschichte Preußens vom großen Kurfürsten bis zu
Friedrich's des Großen Regierungsantritt.
(1640—1740.)
20. Friedrich Wilhelm, -er große Kurfürst. (1640—1688.)
Einleitung. Mit Friedrich Wilhelm, der den Namen des großen
Kurfürsten erhalten hat, beginnt erst die Geschichte Preußens als Ge¬
schichte eines zusammengehörigen Staates. Bis dahin gab es nur einzelne
Landestheile, welche vom Niemen bis an den Rhein vielfach von einander ge¬
trennt lagen, ohne anderen Zusammenhang, als den eines gemeinschaftlichen
Herrschers. Zwischen der Mark Brandenburg, dem Herzogthum Preußen und
den clevescheu Landen gab es noch kein inneres Band der Gemeinschaft, kein
Bewußtsein der Zusammengehörigkeit: in jedem der Länder waren die Rechte
des Fürsten und die Freiheiten der Stände, die ganze Verwaltung, das
Kriegs- und Steuerwesen verschieden. Die Unterthanen des einen betrach¬
teten die Bewohner des andern als Fremde und ertrugen es nur mit Wider¬
streben, wenn der Fürst solche „Fremdlinge" zu Aemtern und Würden Bei
ihnen einsetzte. In Preußen kümmerte man sich nicht darum, wenn die Mark
vom Kriege zerrüttet wurde, und in Cleve erschien es als eine fremde Sache,
wenn an den Ufern der Ostsee der Schlachtenruf erscholl. Als in Preußen
Werbeplätze für den Krieg in Pommern errichtet wurden, machte es das Volk
dem Kurfürsten zum Vorwurf, daß er Fremde, d. h. brandenburgische Kriegs¬
leute, in's Land brachte. Die Preußen sahen in dem Landesherrn nur ihren
preußischen Herzog, die Märker nur ihren brandenburgischen Kurfürsten, —
der Gedanke eines gemeinsamen Staates war ihnen allen fremd. Wenn
ans den vereinzelten Ländern ein mächtiger Staat werden sollte, so kam es
vor Allem darauf an, Einheit an die Stelle der bisherigen Absonderung zu
bringen. Das ist nun das große Werk, welches der Kurfürst
Friedrich Wilhelm vollbracht hat, daß er aus fester Grund¬
lage die Einheit und dadurch dieKraft der hohenzollernschen
Monarchie sicherte: er ist so der eigentliche Schöpfer des
preußischen Staates geworden.