2 I. Der Kulturkampf
Päpste auch in weltlichen Dingen lehren, welche über Duldung Anders¬
gläubiger und Standesrechte des Klerus Grundsätze aufstellen, die der
heutigen Ordnung der Gesellschaft widersprechen, hiermit wird das
friedliche Einvernehmen zwischen Kirche und Staat, zwischen Klerus und
Laien, zwischen Katholiken und Andersgläubigen für die Zukunft aus¬
geschlossen. angesichts der Verwirrung, welche durch diese neuen leh¬
ren in der Kirche jetzt schon eingetreten ist und sich in der Zukunft vor¬
aussichtlich noch steigern wird, setzen wir in jene Bischöfe, welche diesen
Lehren entgegengetreten sind und durch ihre Haltung auf der Versamm¬
lung den Dank der katholischen Welt verdient haben, das vertrauen
und richten zugleich an sie die Bitte: daß sie in gerechter Würdigung der
Xtot der Kirche und der Bedrängnis der Gewissen auf das baldige Zu¬
standekommen eines wahren, freien und daher nicht in Italien, sondern
Mesfeit der HIpen abzuhaltenden ökumenischen Konzils mit den ihnen zu
Gebote stehenden Mitteln hinwirken mögen.
3. Adresse katholischer Abgeordneter an Kaiser Wilhelm I. in Ver¬
sailles um Wiederherstellung der Kirchenstaates (l8.Zebruar {Sil).1
Ew. Kaisers, und Königl. Majestät nahen in (Ehrfurcht die unter¬
zeichneten Mitglieder des Hauses der abgeordneten, um allerhöchsteren
aufmerksamfeit auf öie bedrängte Lage des heiligen Vaters und der gan¬
zen katholischen Kirche zu richten. Die siegreiche abmehr der vereinten
deutschen Stämme gegen französische aggressionen sahen wir in Mi߬
achtung alles Rechtes von einer fremden Macht benutzt, um den Katho¬
liken unerträgliche Gewalt und den beleidigendsten hohn anzutun. Rom,
ihr Rom, der letzte Rest des Kirchenstaates, ist okkupiert, der Papst seiner
weltlichen Herrschaft beraubt, öie älteste der legitimen Mächte der Chri¬
stenheit vernichtet. ... allergnädigster Herr! Für das Papsttum gibt
es keine andere Unabhängigkeit als die Souveränität; nur in ihr (ist
feine würde vollkommen gesichert. (Ein entthronter Papst ist immer ein
gefangener oder ein verbannter Papst, was keiner Macht gleichgültig
sein kann, müßte folgen. Die Gewissensfreiheit der Katholiken, von der
souveränen Freiheit des Papstes zuletzt getragen, wäre geknechtet mit
der tödlichen Verletzung ihres Rechtes, jede autorität in ihren Grund¬
festen erschüttert. . . . Möge es ailerhöchstdemfelben gefallen, als eine
der ersten Taten kaiserlicher Weisheit und Gerechtigkeit den großen aft
der Wiederherstellung ihres Rechtes unö ihrer Freiheit zu vollziehen.
Möge der neue Friedenstag die notwendige Wiederaufrichtung der welt¬
lichen Herrschaft des römischen Stuhles bringen, zu welcher auf dem
Kongreß zu Wien Ew. Majestät hochseliger Vater, König Friedrich Wil¬
helm III. glorreichen 5lndenkens, so hervorragend mitgewirkt. Der
1 Hahn, Geschichte des Kulturkampfes, S. 41 f.