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Großes geleistet. Wendungen wie das berühmte Moi! der Corneilleschen 
Medea oder das eben so berühmte Loyons amis, Gnna! wird man aus 
Grillparzers Werken wohl nicht ausheben können. Aber welche Wirkung, 
ganz auf das Spiel berechnet und ohne dieses matt, am Schluß der 
Szene zwischen Medea, Kreusa und Jason, wie der letztere Medeen die 
Leier wegnehmen will und sie zerbricht und vor Kreusa hinwirft! 
Medea. 
Hier! 
Entzwei! Entzwei die schöne Leier! 
Kreusa. 
Tot! 
Medea. 
Wer? — Ich lebe! — Lebe I 
Es gehört dazu, daß Kreusa entsetzt zurückfährt, daß dann Medea 
ihr Wer? „rasch umblickend" spreche und ihr „lebe!" stolz und drohend, 
und daß sie nachher „hoch emporgehoben vor sich hinstarrend dasteht", 
wie der Dichter vorschreibt 
Man kann die Mannigfaltigkeit der Formen in Grillparzers Dramen 
auf drei Typen zurückführen, repräsentiert etwa durch die Ahnfrau, Sappho 
und Ottokar. Dieselben grenzen sich freilich nicht streng gegeneinander 
ab, denn die Kompositionsform erwächst bei Grillparzer mit Notwendig¬ 
keit ans der Natur des Stoffes. 
Die Ahnfrau zeigt wenig Charakteristik, atemlos fortstürmende 
Handlung, eine wahrhafte Siedhitze der dramatischen Temperatur in 
den rhetorischen Formen der spanischen Bühne. Dieselben Eigenschaften 
finden wir in „Traum ein Leben" wieder. 
Dem Typus der Sappho können wir das goldene Vließ, des 
Meeres und der Liebe Wellen, die Esther und die Libnssa zuweisen. 
Dem des Ottokar den treuen Diener seines Herrn; Weh dem, der lügt; 
den Bruderzwist und die Jüdin von Toledo. Dort herrscht idealistische 
Charakteristik etwa nach Goetheschcr Methode, wie im Tasso oder in der 
Iphigenie: der Dichter schöpft aus der Innenwelt. Hier herrscht realistische 
Charakteristik etwa nach Shakespearcscher Methode: der Dichter ist in 
die Anschauung der Außenwelt vertieft. Dort waltet ein subjektiver Zug, 
hier die objektive Beobachtung. Dort Seclenmalerei, hier die Fülle der 
sinnlichen Erscheinung. Dort wenige Typen, hier die Vielgestaltigkeit des 
wirklichen Lebens. 
Man sicht, die traditionellen Stoffe der klassischen Bühne, Antike 
und Altes Testament, dazu halb mythische Sage, schließen sich auch an 
die klassische Formentradition. Mittelalter und Historie können sich dem 
-Einflüsse der spezifisch germanischen Bühncnform nicht entziehen
	        
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