§ 24. Die Republik im Krieg mit Preußen. 255
gesucht, alle Umwohner mit Hab und Gut in die Stadt
geschafft und Dörfer und Schlösser schrecklich verheert;
doch fanden die Deutschen noch Obdachs genug, als sie
19. die Umschließung vollzogen, bis nach Versailles hin¬
über.^ Es waren ihrer 122,000 Fußgänger, 24,000 Reiter
und 622 Geschütze, eine Zahl, die sich stetig mehrte; die
Baiern hatten an jenem 19. im Süden Schanzen zu er¬
obern, die Preußen bei Chatillon den wortbrüchig der
Kriegsgefangenschaft entronnenen Gen. Ducrot mit seinen
Hausen zurückzuweisen. Der Kronprinz residirte nun in
Versailles, seine Kavallerie durchstreifte ungehindert
das weite Land. Mit einem dünnen Gürtel umlagerten
die Deutschen, nämlich im Norden die vierte Armee, im
Osten Sachsen und Württembergs, im Süden die Bayern,
das durch 17 Außensorts fast unzugängliche, an wenigen
Stellen nur sichtbare Häusermeer. Sie schmiedeten ihn
aber immer fester, indem Verhaue die Wege sperrten,
Dörfer und Gartenmauern in kleine Festungen umgewan¬
delt, und die Verbindungen mit den halbzerstörten Eisen¬
bahnlinien im Rücken möglichst vermehrt wurden. Die
Truppen gruben wohl versteckte Eßwaaren und Wein-
vorräthe aus, kelterten auch die Trauben der Weinberge,
doch litten sie vielfach Hunger, bis die Zufuhr von hinten
ermöglicht war. Nachdem man auch unterirdische Tele¬
graphendrähte aufgespürt und abgeschnitten hatte, konnte
bald keine Botschaft mehr aus der Hauptstadt hinaus,
keine zu ihren 2 Mill. Einwohnern hinein dringen. Sie
behalf sich also mit Brieftauben und Luftballonen, von
welchen letzteren freilich manche über den Rhein, andere
in's Meer (sogar nach Norwegen, ja nach Ostafrika) ge¬
blasen wurden, viele aber auch in unbesetztem französischem
Gebiet niedersielen.
Der König aber saß in Ferriöres, dem pracht¬
vollen Landsitz des Pariser Bankiers Rothschild; dort ver¬
handelte sein Bismarck 20. mit Favre um einen Waffen¬
stillstand, der jedoch nicht zu Stande kam, weil Straß-
burgs und Touls Uebergabe der provisorischen Regierung