Full text: Vom ersten Auftreten der Germanen bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges (Teil 1)

150 V. Von Rudolf von Habsburg bis zu Karl V. 
übertrugen wiederum die niedere Gerichtsbarkeit auf dem Wege 
der Belehnung oder Verpfändung oder Veräußerung an die Grund¬ 
herren (Adel) und damit verloren die niederen Gerichte den staatlichen 
Charakter; die Rechtspflege entbehrte der festen Grundlagen und es 
rissen Willkürlichkeiten aller Art ein. Aber bei aller Auflösung der 
Reichsgerichtsverfaffuug erhielten sich in einzelnen Landschaften die 
kaiserlichen (königlichen) Landgerichte (Gaugrafengerichte) und das war 
vor allem in Westfalen der Fall, wo die vielen freien Grundbesitzer 
fest an der hergebrachten Sitte hingen. 
Aus diesen kaiserlichen Land- oder Grafengerichten gingen nun die 
d) Femgerichte, westfälischen F r ei- oder Femgerichte hervor (von aht). veme, Strafe, Ge¬ 
richt). Freigerichte wurden sie genannt, weil die freien bäuerlichen 
Grundbesitzer, der Kern der westfälischen Bevölkerung, ihre Schöffen- 
barkett behauptet hatten. Die Femgerichte waren somit ursprünglich 
reichsunmittelbare Landgerichte. Der Vorsitzende derselben, Fretgraf, 
leistete auch persönlich dem König den Richtereid. Anfänglich bezog 
sich der Wirkungskreis der Femgerichte nur aus die zur Freigraffchaft 
gehörigen Güter; allmählich aber dehnten sie ihre Befugnisse auch auf 
Verbrechen aus, die außerhalb jenes Sprengels begangen wurden, weil 
oftmals der ordentliche Richter den Schuldigen nicht treffen konnte 
oder wollte. Der Fr ei graf mußte stets ein Westfale sein, Schöffe 
aber konnte jeder ehelichgeborene freie Deutsche von unbescholtenem 
Rufe werden. Durch die Aufnahme wurde er „wissend" gemacht; 
dabei mußte er sich „zur strengsten Geheimhaltung aller Femsachen, 
zur Mitwirkung bei der Ladung und zur Beihilfe bei den Hinrichtungen" 
verpflichten. Das Femgericht befaßte sich nur mit todeswürdigen 
Verbrechen und kannte als einzige Strafe den Tod durch den Strang. 
Eine Zeitlang besaßen die Femgerichte eine außerordentliche Macht. 
Die Ladung des schlichten westfälischen Freigrafen wurde mehr ge¬ 
fürchtet als des Kaisers Gebot. In der Macht der Femgerichte lag 
aber auch der Keim zu groben Mißbräuchen, zu maßlosen Überhebungen 
und zu Übergriffen. Infolgedessen wurden sie gegen Ende des 
15. Jahrhunderts von den benachbarten Fürsten und Städten energisch 
bekämpft. Sie gingen endlich ganz ein, als durch die Einführung des 
ewigen Landfriedens und die Errichtung des Reichskammergerichtes für 
eine bessere und einheitliche Ausübung der Rechtspflege gesorgt war. 
§ 55. 
Umgestaltungen im Kriegswesen. 
$ber^öibne?en 1- Früher und auch noch im Anfang unserer Periode beruhte die 
DbäTebs= Stärke des Heeres auf den geharnischten Reiterscharen, welche in¬ 
folge eines allgemeinen Aufgebotes von den Vasallen des Königs zu
	        
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