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Er bestand darauf, mit Achilles kämpfend diesen zu töten oder im
rühmlichsten Kampfe durch seine Hand zu fallen.
Jedoch bald wankte ihm wieder der Mut, als Achilles näher
kam, dem Kriegsgotte gleich an furchtbarer Herrlichkeit. Grauen¬
voll nickte der Busch auf dem glitzernden Helme, und das Erz des
Panzers strahlte um den Helden wie auflodernde Glut des Feuers
und wie der Glanz der aus dem Meere heraufsteigenden Sonne.
Unwillkürlich mußte Hektor zittern, als er ihn sah; er ver¬
mochte nicht mehr still zu stehen, sondern wandte sich um, dem Thore
der Stadt zu. Hinter ihm her aber stürzte Achilles, schnell wie ein
Falke der Taube nacheilt. So flüchtete Hektor längs der Mauer
von Troja über den Fahrweg hinüber an den beiden sprudelnden
Quellen des Skamander vorbei, immer weiter um die Mauer. Ein
Starker floh, aber ein Stärkerer folgte ihm.
Dreimal kreisten sie um die Stadt des Priamus, und vom
Olymp sahen alle ewigen Götter dem Schauspiele mit gespannter
Aufmerksamkeit zu. Es erbarmte die Götter, aber sie konnten
Hektor nicht mehr retten, die Stunde seines Verhängnisses war ge¬
kommen. Zeus hielt in der Hand die goldene Wage, in die eine
Schale des Achilles, in die andere Hektars Lebenslos legend, und
tief zum Hades neigte sich des Trojaners Geschick.
Noch immer floh Hektor vor seinem Verfolger, der ihn, wie
ein Jagdhund den aus dem Lager aufgejagten Hirsch, bedrängte.
Umsonst versuchte er wieder und wieder sich dicht an die Mauer
zu drängen, um unter den Schutz der Geschosse seiner Gefährten
zu kommen; Achilles trieb ihn immer wieder ins Gefilde, bis er
ihn endlich erreichte und ihn zwang, zum Kampfe zu stehen.
Da versuchte Hektor, noch einen Vertrag mit seinem Gegner
abzuschließen und sprach: „Nicht länger entfliehe ich dir, Achilles,
mein Herz treibt mich, dir fest entgegenzustehen, daß ich dich töte
oder von deiner Hand falle. Laß uns aber die Götter zu Zeugen
eines Eidschwures nehmen. Wenn mir Zeus den Sieg verleiht,
werde ich dich nimmermehr mißhandeln, sondern, nachdem ich dir
deine Rüstung abgezogen, will ich deinen Leichnam deinen Volks¬
genossen zur feierlichen Bestattung überlassen. Und du sollst mir
das Gleiche versprechen."
Aber Achilles erwiderte finster: „Schwatze jetzt nicht von Ver¬
trägen. Wie sich ein friedliches Band niemals um Löwen und
Menschen schlingt, wie sich Lämmer und Wölfe nie einträchtig ge¬
sellen, so kann auch uns kein Friede vereinigen, und keinerlei Bünd¬
nis kann mich je an dich ketten. Einer von uns muß blutig in
den Staub sinken. Nun nimm deine Kunst zusammen, Lanzen¬
schwinger und Fechter mußt du zugleich sein. Doch wirst du mir