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und von Göbens Sieg über die Nordarmee bei St. Quentin. Ein viel ver¬
heißender Anfang. Geibel aber, der patriotische deutsche Dichter, konnte singen:
„Nun wirs hinweg den Witwenschleier,
Nun gürte dich zur Hochzeitsfeier,
O Deutschland, mit dem grünsten Kranz!
Flicht Myrten in die Lorbeerreiser,
Dein Bräut'gam naht, dein Held und Kaiser,
Und führt dich heim im Siegesglanz."
8. ^Dct* Nach der Übergabe von Paris und nach den furcht¬
baren Niederlagen der französischen Heere aus allen Kriegsschauplätzen war die
Widerstandskraft Frankreichs gebrochen. Der zu Versailles am 28. Januar
1871 abgeschlossene Waffenstillstand sollte als Einleitung des Friedens dienen,
^.ie Vertreter des französischen Volkes, die als Nationalversammlung in
Bordeaux zusammentraten, sollten sich entscheiden, ob Frankreich den Krieg
fortsetzen oder den Frieden wählen wolle. Sie entschieden sich in ihrer weit
überwiegenden Mehrzahl für den Frieden unter den vom deutschen Kaiser ge¬
stellten Bedingungen. Am 26. Februar kam dann zu Versailles ein vorläufiger
Friede zustande. Dieser bestimmte:
a) Frankreich tritt an Deutschland Elsaß und den deutsch redenden Teil von
Lothringen samt der Festung Metz lind dem Breifen jenseits der Mosel ab ans dem
die Schlachtfelder vom 16.-18. Augnst liegen.
(Nur Belfort blieb französisch. Das zu Deutschland kommende neue Gebiet umfaßte 260 Quadrat-
mci en imt 112 Millionen Einwohner. Es war von großer Bedeutung, nicht wegen seines geringen Um-
mnges, sondern weilesmitfeinen starken Festungen und den Vogesen eine feste Westgrenze gegen Frankreich bot.)
bi Frankreich muß in 3 Jahren 5 Milliarden Franken Kriegskosten bezahlen.
(Das ist eine gewaltige Summe Geldes, nämlich 4000 Millionen Mark. Um einigermaßen zu er-
me,,en. was zu einer Milliarde gehört, bedenke man. daß seit Christi Geburt nicht einmal eine Milliarde
^ anuten vcrstossen sind (ausrechnen!). Hätte man also seit Beginn unserer Zeitrechnung in jeder Minute
vei Lag und Bei Nacht ein Fünffrankenstück oder 4 Mark zurückgelegt, so hätte man die 5 Milliarden Frank
"'s heute noch nicht zusammen. Wann aber?)
^ c) dis zur völligen Bezahluug bleibe» die nördlichen und östlichen Provinzen
Frankreichs von den Deutschen besetzt. Mit jeder abgezahlten Rate soll auch ein Landes¬
teil von den Deutschen geräumt werden.
ri) oOOOO deutsche Soldaten unter Führung des deutschen Kronprinzen halten
ihren Einzug in Paris und bleiben zwei Tage daselbst, zum Zeichen, daß die feind¬
liche Hauptstadt wirklich überwunden ist.
Die französische Nationalversammlung nahm die Friedensbedingungen an, und
io konnte schon am 2. März Kaiser Wilhelm an seine Gemahlin telegraphieren:
„Soeben habe ich den Friedensschluß genehmigt, nachdem er schon gestern in
Bordeaux von der Nationalversammlung angenommen worden. Soweit ist also das
große Werk vollendet, welches durch siebenmonatliche siegreiche Kämpfe errungen wurde.
Dank der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer des unvergleichlichen Heeres in allen
meinen Teilen und der Opferfreudigkeit des Vaterlandes! Der Herr der Heerscharen
hat überall unsere Unternehmungen sichtlich gesegnet und daher diesen ehrenvollen
Frieden in seiner Gnade gelingen lassen; ihm die Ehre, der Armee und dem Vater¬
lande mit tief erregtem Herzen meinen Dank!"
Der endgültige Friede wurde am 10. Mai 1871 zu Frankfurt am Main
abgeflossen. Deutschland gewährte ihn in ungeschwächter Kraft; denn im