Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

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§ 4. Die Religion der Germanen. 
Wanderung begriffenen Germanen stand hinter der Schlachtreihe die Wagen¬ 
burg mit den Franen und Kindern, die lärmend und rufend die Kampf¬ 
begeisterung anfachten, im Falle der Niederlage aber den Feinden noch 
den erbittertsten Widerstand leisteten. 
6. Pas Gerichtswesen der Germanen beruhte nicht auf geschrie¬ 
benen Gesetzen, sondern auf Gewohnheit und Herkommen. Streitigkeiten 
mürben ursprünglich vor dem Volke auf der Ding- oder Mahlstatt ver¬ 
handelt; Beweismittel waren Zeugen und Eid, in schwereren Füllen auch 
der Zweikampf. Die nachgewiesene Schuld, selbst den Totschlag, konnte 
jeder Freie durch eine Buße an Geld oder Vieh, das sogenannte Wer- 
geld, sühnen; wer sich weigerte, die Buße zu erlegen, ward sried- und 
rechtlos und mußte in die Fremde, ins „Elend", wandern. Freiheits¬ 
strafen, körperliche Züchtigung oder gar Hinrichtnng waren etwas Uner¬ 
hörtes. 
§4. 
Die Religion der Germanen. 
1. Die Hnellen unserer Kenntnis. Über die religiösen An¬ 
schauungen unserer Voreltern sind wir nur unvollkommen unterrichtet, 
da zuverlässige schriftliche Aufzeichnungen fehlen und das Christentum sich 
bemüht hat, die Erinnerung an die heidnische Vergangenheit möglichst 
auszurotten. Daher beschränkt sich unsere Kenntnis auf die Berichte 
lateinischer Schriftsteller, namentlich des Tacitus, und auf die Volksüber¬ 
lieferung in Sagen, Märchen, Bräuchen und Aberglauben. Eine wert¬ 
volle Ergänzung bilden die Götter- unb Heldenlieder ber norbischen 
Sänger, ber ©kalben, wie sie in ber Ebba um bas Jahr 1100 auf 
Island gesammelt worben jtub. 
2. Die ältesten Gottheiten. Der Götterbienst ber Germanen wor¬ 
ein Naturdienst. Ursprünglich verehrten sie nur zwei Gottheiten: den 
hellen Tageshimmel mit der leuchtenden Sonne und die mütterliche 
Erbe. Jener würbe ihnen zum Gott Tius ober Ziu, biese zur Göttin 
Frija. Die Verehrung beiber Gottheiten brachten sie aus ihrer Ur¬ 
heimat mit. 
Tius (Ziu, vgl. den griech. Zeus) mitrde besonders in einem uralten 
Haine der Semnonen verehrt. Der Ort galt als Bnndesheiligtnm, das 
man nur gefesselt und mit heiliger Scheu betrat. Zu bestimmten Zeiten 
erschienen hier die Abgesandten der verbündeten Stämme, um dem Gott 
Menschenopfer darzubringen. Weiße Rosse waren zu seinem Dienste be¬ 
stimmt, uni) Priester weissagten aus ihrem Wiehern. Dem kriegerischen 
Sinn der Germanen entsprechend, wurde Tius bald zum Kriegsgott mit
	        
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