Full text: Das Jahrhundert des Großen Kurfürsten (Bd. 1)

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in Küstrin ein, in Begleitung des Fürsten Christian von Anhalt 
und eines großen Gefolges vornehmer Herren, zur nicht geringen 
Überraschung der kurfürstlichen Räte, die sich so vieler Gäste gar nicht 
vermutet gewesen waren und nun in arge Verlegenheit gerieten, den 
Besuch aber doch nicht wieder fortschicken konnten. 
Bald kamen zu ihnen aus Küstrin bittere Klagen über den Aus¬ 
wand und die Ansprüche des königlichen Hofes. Es wären, berichtete 
man, täglich drei Tafeln und sechs ansehnliche Tische zu versorgen. 
15 Scheffel Hafer verfüttere man täglich; die Menge der Diener und 
Pferde fei eine beschwerliche Last. In drei Wochen habe man, außer 
den 15 Mispeln Hafer, die anfänglich dazu bestimmt gewesen, bereits 
21 Mispel verfüttert, ohne was dienernden selbst gekauft hätten, weshalb 
man in Polen Bestellungen aus Hafer habe machen müffen, der aber dort 
kaum zu bekommen fei. DieUnkosten wären säst nicht mehr auszubringen. 
Schon vordem habe man reichlich Schlachtvieh, wie Ochsen, Kälber 
und Hammel, auch genug Getränke gegeben, nun aber aufs neue 
etliche Tonnen Bier, eine große Zahl Gänse und Hühner, Eier, 
Weizen und Roggen liefern müssen. Die Fremden machten die 
Fische unerhört teuer, indem sie solche von den Kichern für jeden 
Preis aufkauften. Täglich gingen sieben bis acht große Wagen in 
die Heide, um Brennholz zu holen; für 30 Thaler hätte man schon 
daneben gekauft. Alle Gemächer im kurfürstlichen Hause wären belegt; 
die Kämmerchen in den Türmen und unter dem Dache steckten voll 
englischer Damen und Mägde. Die Stuben über dem Thore hätte 
man anfangs zu verschließen und für den Kurfürsten frei zu halten 
gesucht, der König aber verlangt, daß sie ihm geöffnet würden. Der 
Bericht schloß: „Man wisse sür die Zukunft nicht, woher man zur 
Unterhaltung des Besuches Mittel nehmen solle". 
In Küstrin fehlte es wirklich bald an allem. Die Vorräte 
waren aufgezehrt, und man wußte nicht mehr ein noch aus. Dies 
zwang die königliche Familie, die Festung zu verlassen und sich nach 
Berlin zu begeben. Indessen ließ der Kaiser den Kurfürsten merken, 
daß er wegen des Aufenthaltes des Königs in der Mark zürne. Frie¬ 
drich verließ darauf alsbald das Land und flüchtete zum Könige von 
Dänemark. 
17. Berlin und üölln während der ersten Kriegsjahre. 
(1618-1630.) 
Als irrt Jahre 1618 die Kunde nach Berlin kam, wie man in 
Böhmen sich gegen das Habsburgische Regiment aufgelehnt und in 
dem reformierten Friedrich von der Pfalz einen neuen König gewählt 
habe, da war in der Residenz wohl niemand, der in diesem Ereig¬ 
nisse den Anfang eines so überaus langen und schrecklichen Krieges gesehen 
hätte. Zudem hatte man in den beiden Städten sür das junge Königtum 
nur sehr geringe Teilnahme. Man war vorläufig noch treu kaifer-
	        
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