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96. Entdeckung des Seeweges nach Ostindien.
96. Entdeckung des Seeweges nach Ostindien (1498).
1. Handelsverkehr zwischen Indien und Europa. Das reiche
Indien lieferte von alters her den Europäern eine Menge der wertvollsten Er¬
zeugnisse, z. B. Pfeffer, Zimt und andere Gewürze, Reis, Seide, Baumwolle, Elfeu-
bein, Perlen, Gold und Edelsteine. Diese Dinge konnten die Europäer aber nicht
selbst aus Indien holen; im Mittelalter erhielt man sie durch die Vermittlung
arabischer Kaufleute. Dieselben fuhren erst zu Schiff von Indien in den
Persischen Meerbusen, dann den Euphrat oder den Tigris hinauf bis Bagdad.
Hier packte man die schweren Warenballen auf den Rücken von Kamelen, und viele
Tagereisen zog der mohammedanische Kaufmann mit seiner Karawane nach Westen,
bis er Tripoli oder einen andern syrischen Mittelmeerhafen erreichte. Bon da
holten Kaufleute aus Venedig oder Genua zu Schiff die Waren ab und verkauften
sie durch ganz Europa. Ein anderer Weg ging von Indien in das Rote Meer
hinein bis nach der Landenge von Suez, dann über Land nach Alexandria, wo
wieder italienische Kaufleute, damals die ersten der Welt, sie in Empfang
nahmen. Hätten nun die Europäer selbst die Waren zur See ganz von Indien
holen können, so wäre einmal der Transport viel billiger gewesen; zum andern
hätten sie auch den Gewinn der arabischen Zwischenhändler für sich gehabt. —
Wenn es nun überhaupt einen Seeweg nach Indien gab, so mußte er wohl um
Afrika herumführen. Man hatte aber durchaus keine Vorstellung, wie weit dieser
Erdteil sich nach Süden erstrecke. Kein Schiffer hatte sich über das Kap Bojador
an der Küste der Sahara hinausgewagt. Es wurde erzählt, unter dem Äquator
sei das Wasser kochend heiß, das Land sei ganz von der Sonne versengt, und das
Meer wimmele von Ungeheuern, welche die Schiffe mit ihrem Rücken in die Lust
schleuderten. Man blieb darum hübsch in den bekannten Gewässern.
2. Prinz Heinrich der Seefahrer (f 1460). Der portugiesische Prinz
Heinrich war es, der zuerst unter seinen Landsleuten den Eifer für Forschungs¬
reisen weckte, durch welchen sie sich bald vor allen Völkern hervorthaten. Er hat
den Beinamen „der Seefahrer" erhalten, obgleich er nicht selbst aufs Meer hinaus¬
gesegelt ist. Die Freuden des Hofes verschmähend, nahm Prinz Heinrich seinen
Wohnsitz in einem Schlosse am Kap St. Vincent, welches in Portugal am weitesten
in die See hinausragt. Hier studierte er besonders Erd- und Himmelskunde. Gewiß,
dachte er, müsse es möglich sein, um Afrika herum nach Indien zu gelangen, war
es doch nach alten Schriftstellern wahrscheinlich, daß schon die Phönicier diesen Weltteil
umschifft hatten. Er ruhte nicht, bis er kühlte Männer fand, die bereit waren, sich von
ihm auf Entdeckungen aussenden zu lassen. Einer derselben schwur, das ge¬
fürchtete Kap Bojador, welches bislang mit seiner wilden Brandung auch die
Mutigsten zurückgeschreckt hatte, zu umschiffen, oder nie heimzukehren. Das Wagnis
gelang zur großen Freude des Prinzen. Später fanden die Portugiesen südlich
von der Sahara die Senegalmündung und die ersten wilden, heidnischen
Neger. Bald passierten sie auch das Grüne Vorgebirge; ja Prinz Heinrich
erlebte noch, daß seine Schiffe Guinea erreichten, von wo sie Goldstaub, Elfenbein
und andere Kostbarkeiten mitbrachten.
3. 99iU'th0l011tält§ Diaz (1487), Heinrich der Seefahrer starb, und die
Entdeckungen ruhten längere Zeit; dann aber kam eilt König, der sie wieder eifrig
betrieb. Er entsandte den kühnen Bartholomäus Diaz (spr. Dias) mit dem