172 Kap. 24. § 123. Philipp's Ermordung. Kaiser Otto IV u. Papst Jnnocenz III.
Pfalzgrafen für feine Verdienste um ihn seine Tochter versprochen, sie ihm aber wieder
verweigert, weil der Pfalzgraf in seiner rohen Leidenschaftlichkeit einen Edelmann er¬
mordet hatte. Darauf habe der Pfalzgraf den Kaiser um seine Fürsprache bei seiner
Bewerbung um eine schlesische Fürstentochter gebeten und ein Schreiben zu diesem Zweck
bekommen. Aus Neugierde oder Mistrauen habe der Wittelsbacher es eröffnet und
darin statt einer Empfehlung eine Abmahnung gefunden und daher aus Rache jenen
Mord begangen. Philipp genoß eben mit dem Bischof von Speier und dem Truch¬
seß von Waldburg vom Burgfenster aus die schöne Aussicht in die Umgegend, als der
Pfalzgraf mit verstörtem Blick und mit geschwungenem Schwert in das Gemach stürmte.
„Hier ist nicht der Ort zum Fechten!" rief ihm Philipp entgegen. — „Aber der Ort
den Verrat zu bestrafen!" schrie der Pfalzgraf und hieb den König in den Hals.
Als der Truchseß zu Hilfe sprang, verwundete er auch diesen und eilte davon. Phi¬
lipp trat noch einige Schritte vor und sank entseelt zu Boden. Die sanfte Kai¬
serin Irene starb wenige Wochen darauf auf der Burg Staufen. — Um nun die
hohenstaufische Partei für sich zu gewinnen, verlobte sich König Otto mit Philipp's
Tochter Beatrix, die damals erst 10 Jahre alt war, erreichte aber dadurch seinen
Zweck nicht; denn kaum hatte er vier Jahre nachher zu Nordhausen seine Hochzeit
mit Beatrix gefeiert, so starb sie am vierten Tage nach bet Hochzeit in ihrem 14. Jahre.
Der Königsmörder wurde in die Acht erklärt, seine Burg Wittelsbach gebrochen und
er selbst, vogelfrei umherirrend, in einem Gehöft unweit Regensburg von einem Edel¬
mann getötet und fein Haupt in die Donau geworfen.
Dieses Ereignis änderte den Stand der Dinge, ohne den Parteikampf
zu beenden. Deutschlands Geschick lag nun ganz in den Händen des
Papstes. Denn dem durch Charakterstärke und außerordentliche Geistes¬
gaben ausgezeichneten Znnocen; III war es im Laufe jener Verwirrungen
in Deutschland gelungen, die von Gregor VII begründete Unabhängigkeit
und Allgewalt der Kirche zur vollen Ausführung zu bringen und die
Macht und das Ansehen des päpstlichen Stuhls auf den höchsten
Gipfel zu erheben, indem nicht nur ganz Italien ihm huldigte, sondern
auch alle übrigen Fürsten Europas sich seinem Willen und seinen An¬
ordnungen fügten.
Mit seiner Zustimmung unterzog sich Otto IV einer neuen Königswahl
in Frankfurt, holte sich dann in Mailand die lombardische Krone und em¬
pfing in Rom die Kaiserkrone (1209), nachdem er feierlich versprochen
hatte, nicht wie seine Vorgänger Ansprüche auf die mathildische Erbschaft
und andere angebliche Güter und Rechte des päpstlichen Stuhles zu machen.
Kaum hatte er aber sein Ziel erreicht, so änderte er seine Stellung zum
Papst, gab (seinem eidlichen Versprechen zuwider) die mathildischen
Güter nicht heraus, fiel sogar, nach dem hohenstaufischen Erbe trach¬
tend, in Apulien und Calabrien ein und wollte schon nach ©teilten über¬
setzen. Da schleuderte Jnnocenz den Bannstrahl gegen ihn und ver¬
anlaßte die Gegner Otto's in Deutschland einen andern König gegen ihn
aufzustellen, und zwar in der Person eines Hohenstaufen. Es war
dies Heinrich's VI Sohn, Friedrich, der, als Kind zum König von
Neapel und ©teilten gekrönt, zu Palermo unter der Vormundschaft der
sicilischen Stände und seines Oberlehnsherrn, des Papstes Jnnocenz, auf¬
gewachsen war, und von diesem vielfachen Schutz gegen die in feinem Reiche
sich befehdenden Parteien erfahren hatte.
124. Entsprossen aus einer Mischung deutschen und italienisch-norman¬
nischen Blutes und ausgerüstet mit Schönheit des Leibes, besonders aber
mit hohen Gaben des Geistes und Gemütes, tatkräftig und klug, beredt
und sprachkundig, für Bildung und Wissenschaft entflammt, dabei freigebt-