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Kinder überstiegen mit ihren Heerden und allen Habseligkeiten die 
Alpen und brachen nach blutigen Kämpfen mit den Grenzvölkern in 
Italien ein, wo sie bald glänzende Siege über Odoaker erfochten. Nur 
in dem stark befestigten Ravenna verteidigte sich dieser drei Jahre lang; 
dann fiel auch dieses, und obgleich dem tapfern Heerkönig das Leben 
zugesichert war, wurde er bald bei einem Gastmahl ermordet. 
Mehr noch als Odoaker verstand es Theodorich, in Italien eine 
neue Glanzzeit zu begründen. Während er Handel und Gewerbe den 
Römern überließ, lag die militärische Macht nur in den Händen der 
Gothen, die er mit anderen germanischen Stämmen zu einem großen 
Völker- und Friedensbunde zu vereinigen wußte. Ihre Heerführer 
ließen sich von Theodorich, den die Geschichte den Großen nennt, 
wie von einem Vater leiten. „Ihr alle habt Beweise meines Wohl¬ 
wollens", heißt es in einem Briefe an diese. „Ihr seid junge Helden, 
mir gebührt, euch zu raten. Eure Unordnungen betrüben mich; es ist 
mir nicht gleichgültig, daß ihr euch von den Leidenschaften beherrschen 
laßt; denn Neid und Leidenschaften der Könige sind das Verderben der 
Völker; dagegen sind ihre Freundschaft und Einigkeit gleichsam die 
Adern, durch welche die Wünsche der Völker zu einander hinüber 
fließen." 
Noch einmal strahlte Italien im Glanze längst vergangener Herr¬ 
lichkeit. Theodorichs Residenz Ravenna wurde der Sitz aller Kirnst 
und Wissenschaft seiner Zeit. Noch heute reden Kirchen und Paläste, 
die der Verwüstung folgender Jahrhunderte trotzten, von den glanz- 
umwobenen Zeiten des Ostgothenreiches. 
Aber Theodorich, dem Italien so viel zu verdanken hatte, blieb 
den Römern ein Fremder, da die römischen Katholiken ihn und 
seine Gothen als arianische Ketzer haßten. Auch der oströmische 
Kaiser Justin I. begann seine Anfeindungen gegen Theodorich, der sich 
ohne kaiserliche Erlaubnis den Gemahl seiner Tochter zum Nachfolger 
erwählt hatte, durch Verfolgung des arianischen Glaubensbekenntnisses. 
Vergeblich erbat der Ostgothenkönig die Aufhebung der Religions¬ 
verfolgung, unb da die Gesandten, besonders der Bischof Johannes, am 
kaiserlichen Hofe sehr ehrenvoll aufgenommen worden waren, aber doch 
unverrichteter Sache heimkehrten, beschuldigte sie Theodorich des Einver¬ 
ständnisses mit dem byzantinischen Hofe, ließ sie ins Gefängnis werfen 
und auf das Grausamste hinrichten. Die plötzlich erwachte furchtbare 
Reue warf ihn auf das Krankenlager, von dem er nicht wieber erstehen
	        
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