Full text: Von der Entstehung eines selbständigen deutschen Reichs bis zu Karl V. 843 - 1519 (Theil 2)

4 Außere und. innere Gestaltung Deutschlands 
Seiner inneren Gestaltung nach zerfiel Deutschland zunächst in 
die Gebiete der vier großen Stämme: der Sachsen, zu denen 
man auch die Friesen und die Thüringer rechnete, in der nord¬ 
deutschen Tiefebene, der Franken am Mittelrhein rechts und links 
und am Main, der Alemannen (oder, wie sie von jetzt an häufiger 
genannt werden, Schwaben) rechts und links am Oberrhein und in 
der deutschen Schweiz; der Bayern östlich davon (bis nach dem heu¬ 
tigen südlichen Österreich). Der fünfte Stamm, die Lothringer, 
der erst durch die Teilung von Meersen an Deutschland kam, wohnte 
nur jenseits des Rheins, war sprachlich zum Teil gemischter, schien über¬ 
haupt nicht so fest mit Deutschland verwachsen, wie die vier dies- 
rheinischen Stämme, was sich auch in seiner zwischen Deutschland 
und Frankreich hin- und herschwankenden Haltung zeigt. 
Jeder dieser Stämme hatte seine Eigentümlichkeiten in Sprache, 
Sitte, Recht u. s. w., hielt daran fest und unterschied sich dadurch 
von den andern Stämmen. Diese Besonderheit der Stämme und ihr 
Streben nach möglichster Unabhängigkeit ward verschärft durch das 
Wiederaufleben der Stammesherzogtümer. Karl d. Gr. hatte 
dieselben beseitigt — auch da, wo sie am mächtigsten waren, in Sachsen 
und Bayern. Gerade in diesen beiden Ländern aber erstand das 
Stammesherzogtum am frühesten wieder. Bayern kam bei der zuerst 
von Lndwig d. Frommen vorgenommenen Reichsteilung an Ludwig 
den Deutschen, der sich „König der Bojoarier" nannte, dann an 
dessen Sohu Karlmann und an des letzteren natürlichen Sohn Arnulf, de r 
„Herzog vou Bayern" oder auch „von Kärnthen" genannt wurde. Später 
finden wir wieder einen Arnulf (II.) daselbst, der „mit Zustimmung des 
Volkes" die herzogliche Würde annimmt und sich „aus Gottes Vor¬ 
sehung Herzog von Bayern" nennt. Sachsen gab Ludwig der Deutsche 
als Herzogtum einem angesehenen sächsischen Großen, Ludolf, mit 
dem Aufträge, die Reichsgrenze nach außen zu verteidigen; so ent¬ 
stand (850) das Herzogsgeschlecht der Lndolfinger, welchem die 
späteren deutschen Könige Heinrich I. und die Ottonen angehören. 
Daß gerade Bayern und Sachsen schon sobald wieder zu einer 
gewissen staatlichen Selbständigkeit als Herzogtümer gelangten, und 
zwar durch die deutschen Könige selbst, hatte seinen Grund wohl darin, 
daß diese beiden Länder feindlichen Angriffen am meisten ausgesetzt 
waren, Bayern denen der Avaren, Bulgaren u. s. w., Sachsen denen 
der Slawen und Normannen. Franken, Schwaben, Lothringen schienen 
solchen Gefahren weniger ausgesetzt. Indessen wirkte das dort ge-
	        
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