I. Die Entwicklungsgeschichte der Erde.
:s gehört zu den ursprünglichen Neigungen des Menschen,
Betrachtungen anzustellen über die Erscheinungen in der
Natur, und für deren Ursache und Zweck nach einer Er¬
klärung zu suchen. Die Ergebnisse, zu denen hierbei in
allen Zeiten die auf tieferer Kulturstufe stehengebliebenen Völker
gelangt sind, entsprechen ihrer naiven Auffassung aller Dinge und
haben für die Zwecke naturwissenschaftlicher Forschung keine Be¬
deutung. Dagegen verdanken wir den Beobachtungen und Unter¬
suchungen der Kulturvölker des Altertums — Babylonier, Ägypter,
Griechen —, manches Ergebnis, das für den Aufbau unseres heutigen
Wissens von grundlegender Bedeutung geworden ist.
So matzen schon damals die Astronomen den Kreislauf der
Sonne aus und bildeten aus Sterngruppen Tierbilder, die sie
als Merkzeichen für die Sonnenbahn benutzten, sie regelten die
Zeit nach dem Lauf der Gestirne und suchten die Ursache der
Klimaverschiedenheit festzustellen.
Von den Chinesen wissen wir, daß sie bereits im 3. Jahr¬
tausend v. Chr. genaue Kenntnis von der Bewegung der Sonne
und von den Gesetzen der Sonnenfinsternis besaßen.
Es ist merkwürdig, daß sich die Menschheit bei der wissen¬
schaftlichen Erforschung der Natur zuerst den unerreichbaren Ge¬
bieten des Himmels, in viel späterer Zeit der Erde selbst und
schließlich, und in der Hauptsache erst in jüngster Zeit, deren Lebe¬
welt zugewendet hat.
Der Schwerpunkt der naturwissenschaftlichen Erkenntnis des
Altertums liegt also auf dem Gebiet der Astronomie.
Fast während des gesamten Mittelalters, dessen Anschauungen
sich allein auf den Wortlaut der christlichen Glaubenslehre stützten,
hat das vom Altertum Überlieferte nicht nur keine Weiterbildung
erfahren, es ist vielmehr, soweit es in Aufzeichnungen nieder¬
gelegt war, zum großen Teil vernichtet worden. Was davon ge¬
rettet wurde, verdanken wir den Arabern, die uns sowohl einen
guten Teil der Schriften des Altertums durch ihre Übersetzungen er¬
halten, als auch das Überlieferte in diesem Zeitabschnitt bis zu
einem gewissen Grade weitergebildet haben.
Engelhardt, Welt- u. Staatskunde. 2. Aufl. 1