Widukind: Die Wahl Heinrichs I.
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13. Die Wahl Heinrichs I.
widukind/ Sächsische Geschichten.
Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. 2. Gesamtausgabe. Leipzig, Dyk. 33. Bd. <S. 32.
Da Konrad sich durch die Krankheit sowie durch den Untergang seines
früheren Glückssternes gebrochen fühlte, rief er seinen Bruder, der ihn zu
besuchen gekommen war, und sprach zu ihm also: „Ich suhle, Bruder, daß
ich dieses Leben nicht länger erhalten kann, da es Gott nach seinem Rat¬
schlüsse so gebeut, und die Macht der Krankheit mich bezwingt. Deshalb
gehe mit dir zu Rate und sorge, was ja ganz vorzüglich deine Aufgabe ist,
für das ganze Frankenreich, indem du auf meinen Rat, den deines Bruders,
achtest. Wir können, Bruder, Truppen und Heere aufbieten und anführen,
wir haben Bnrgen und Waffen nebst den königlichen Insignien und alles,
was die königliche Würde erheischt, außer Glück und Befähigung. Das
Glück, mein Bruder, samt der herrlichsten Befähigung steht auf Heinrichs
Seite, das Heil des Staates liegt in der Sachsen Hand. Nimm alle diese
Insignien, die heilige Lanze, die goldenen Spangen nebst dem Mantel, das
Schwert und die Krone der alten Könige, gehe hin zu Heinrich und mache
Frieden mit ihm, damit du ihn für immer zum Verbündeten haben mögest.
Denn warum soll das Frankenvolk samt dir vor jenem hinsinken? Er wird
in Wahrheit ein König sein und Herrscher vieler Völker." Als er so
gesprochen, erwiderte sein Bruder unter Tränen, er sei damit einverstanden.
Danach starb der König, ein tapferer, mächtiger Mann, tüchtig >im Krieg
wie im Frieden, freigebig und mild und mit aller Tugend Schmucke geziert,
und wurde begraben unter dem Jammer und den Tränen aller Franken.
Danach begab sich, wie der König befohlen hatte, Evnrhard (Eberhard)
zu Heinrich, stellte sich mit allen seinen Schätzen ihm zur Verfügung, schloß
Frieden und erwarb sich dessen Freundschaft, die er bis an sein Ende treu
und vertraulich bewahrte. Sodann versammelte er die Fürsten und Ältesten
des Frankenheeres an dem Orte, welcher Fritzlar genannt wird, und ries
ihn vor allem Volke der Franken und Sachsen zum Könige aus. Und da
jenem die Salbung nebst dem Diadem von dem höchsten Bischöfe (dem Erz¬
bischöfe von Mainz) angeboten wurde, verschmähte er sie zwar nicht, nahm
sie aber auch nicht an. „Es genügt mir," sagte er, „vor meinen Ahnen
das voraus zu haben, daß ich König heiße und dazu ernannt worden bin,
da es Gottes Gnade und eure Huld so will; die Salbung und die Krone
aber mögen Würdigeren zuteil werden; solcher Ehre halten wir uns für
1 Widukind von Korvei starb um 1004 als Mönch im Kloster zu Korvei.
In seinen „Sächsischen Geschichten" behandelt er in drei Büchern die Geschichte der Sachsen
vor und unter Heinrich I. und Otto I. Das in epischer Breite und warmer Liebe zum
Sachsenvolke geschriebene Werk hat einen hohen Wert, weil es für einen Teil der berührten
Ereignisse die einzige Quelle ist.