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Rechts- unb Staatsentwicklnng 
der Vasallen durch Lehen in Pflicht, und so gab es bald eine Menge von 
ständischen Gewalten, geistliche und weltliche, die allmählich erblich wurden 
und sich zu Fürstentümern entwickelten. 3n diesen Rang rückten später auch 
noch die Ritter und die Städte ein. .Schließlich wuchsen die ständischen Ge¬ 
walten dem deutschen König über den Kopf; das zeigt die bereits erwähnte 
„Verständigung mit den geistlichen Fürsten" (1220) und die „Gesetzgebung 
zugunsten der weltlichen Fürsten" (1231) von Friedrich II. und die „Goldene 
Bulle" Karls IV. (1356). Das Kaiserreich wurde ein Wahlreich, in dem 
die Stimmen der sieben Kurfürsten (drei geistliche und vier weltliche) den 
Ansschlag gaben. Diese ganze Entwicklung wird abgeschlossen durch die Be¬ 
stimmung des Westfälischen Friedens von 1648, daß die deutschen Fürsten 
Bündnisse untereinander und mit fremden Fürsten schließen könnten, außer 
gegen Kaiser und Reich. Es gab also in Deutschland einige hundert selb¬ 
ständige, absolute Fürsten. Seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts 
sahen auch die kleineren Fürsten in Ludwig XIV. von Frankreich ihr Vor¬ 
bild. Man hat früher diese Vielheit sowie die Verschwendung und den 
Eigennutz der deutschen Fürsten sehr ungünstig beurteilt, aber man muß doch 
anerkennen, daß die gegenwärtige Vielseitigkeit und der eigenartige Reich¬ 
tum des deutschen Staatslebens und der deutschen Kultur gerade auf diese 
Zeit zurückgeht. Innerhalb Deutschlands bildete sich die absolute Herrschaft 
in Brandenburg-Preußen zu der aufgeklärten absoluten Monarchie der Hohen- 
zollern weiter. Das Losungswort der neuen Richtung stammt von Friedrich 
dem Großen: „Der Fürst ist der erste Diener des Staates." Schon der Große 
Kurfürst hatte die allzu große Selbstherrlichkeit der Landstände, welche die 
Steuern zu bewilligen hatten, gebrochen, hatte ein von ihm besoldetes, ge¬ 
bildetes und zuverlässiges Beamtentum begründet, das die eigentliche Mit- 
regierung neben ihm führte, und hatte die ihm zustehenden Rechte mit Be¬ 
sonnenheit gebraucht; so waren Zustände der Regierung geschaffen, die durch 
die Worte bezeichnet sind: „Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk." 
Dazu kamen seine Leistungen auf dem Gebiete des Heerwesens. Er schuf 
sich ein stehendes Heer, das der sparsame und tüchtige König Friedrich Wil¬ 
helm I., der Vater Friedrich des Großen, mit besonderer Strenge und Sorg¬ 
falt weiter ausgestaltete. Um diese Zeit wurden auch Ministerien einge¬ 
richtet, deren Wirksamkeit allerdings durch das königliche Kabinett stark be¬ 
schränkt war. 
Das deutsche Staats- und Verfassungswesen der neuesten Zeit ist be¬ 
stimmt durch die nach deutscher Art umgeformten Gedanken der Französischen 
Revolution, insbesondere durch die grundlegenden Reformen des Reichs¬ 
freiherrn v. Stein und des Kanzlers Fürsten Hardenberg. Jeder Staats- 
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