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Zäume von den Zugpferden und lenkt den Wagen mit den Mehlsäcken herum.
So geht der Weg aufs Schloß. Die Zugbrücke wird runtergelassen, der Wagen
rumpelt darüber, dein Vater muß durch das schwarze Tor, die dicken Flügel
schlagen hinter ihm zu, da springen auch schon ein paar Kerle herzu und fassen
ihn. 3n der Ecke am Schloß steht ein dicker Turm, ein tiefer, feuchter Keller
darin, unten rascheln die Ratten, es stinkt nach den Resten der Gefangenen,
die da zuletzt gesessen haben. Da muß dein Vater hinunter, mit dem Fuß an
die Kette angeschlossen, die aus dem Mauerwerk kommt. And währenddessen
sitzt ihr zu Äause, du und die Geschwister und die Mutter, und es wird euch
schon bange: „Wo bleibt Vater bloß? Er müßte doch lange zurück sein von
der Stadt." Es ist schon schwarze Nacht, Mutter läuft noch einmal hinaus
in den Wind und horcht. Das Knacken da ist vielleicht der Wagen im Sand¬
weg. Nein, es sind die Kiefern im Busch. And sie kommt zurück und ist ganz
weiß und weint die ganze Nacht. Vater ist verschwunden. Aber nach ein paar
Tagen, da kommt ein Reitknecht vom Schloß von Wilmersdorf herunter und
sagt: „Den Müller hat der von Rochow niedergeworfen und in den Turm
gebracht. Er ist unserm Lernt Feind geworden. Nun will er Lösegeld, fünf
Schock böhmische Groschen. Ein Schock will mein joerr geben, denn dem
Rochow kommen wir nicht an seinen Turnt. Sieh zu, wie du die andern vier
Schock noch aufbringst." Da jammert die Mutter: „Ach Gott, ach Gott, vier
Schock böhmische Groschen in dieser Zeit, und wie lange ist es her, daß uns die
Quitzows noch die zwei Kühe und die vier Schweine aus dem Stall geholt
haben. Wenn ich alles verkaufe, was ich habe, kriege ich keine zwei Schock zu¬
sammen." „Ja, da mußt du zusehen," sagt der Edelknecht und reitet weg.
And jetzt seid ihr Bettler geworden, geht Laus bei Laus und jammert und
bettelt, daß euch doch die Nachbarn helfen möchten, den Vater loskaufen. And
dieweil sitzt er in seinem scheußlichen Kerker. Nach einem Jahr sind vier Schock
zusammen, mit denen vom Lernt von Wilmersdorf. Da hat sich der Lerr
von Wilmersdorf mit dem Lernt von Rochow vertragen, und ein Schock wird
abgelassen, und der Vater kommt wieder los. Aber unterdes haben ihm die
Ketten den Fuß wund gescheuert, und es ist Schmutz in die Wunde gekom¬
men, und der Brand ist hineingeraten, und sie haben ihm den Fuß abgeschnitten.
And er kommt zurück struppig, das Laar und der Bart lang gewachsen und
humpelt an der Krücke.
Meint ihr, so etwas wäre damals selten gewesen? Keinen Tag waren
damals die armen Leute in der Mark sicher, daß ihnen nicht so etwas passierte.