Die Schlacht bei Belle Alliance.
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Handgemenge wenden sich die Angreifer rückwärts; auch der tapfere
Ney, dem das Pferd unter dem Leibe erschossen ist, vermag sie nicht
zu halten. Noch ist nicht alle Hoffnung verloren; aber jetzt erfolgt
auch die Entscheidung bei Plancenoit. Die Zahl der Angreifer wächst
dort zusehends, schon sind auch Teile des Pirchschen Heerteils zur
Stelle, und so erfolgt nun ein umfassender Angriff. Jene zwölf Ba¬
taillone der Kaisergarde wehren sich ritterlich; erst beim dritten Sturm,
den Gneisenau persönlich leitet, wird das Dorf genommen. Endlich
verschwinden die Bärenmützen auch vom Kirchhofe, wo sie am längsten
standgehalten haben. Die Füsiliere des fünfzehnten Regiments folgen
zunächst. Auf den Pachthof La Belle Alliance, dessen weiße Mauern
weithin leuchten, nehmen die Preußen ihren Weg. Jetzt gibt auch
Napoleon die Schlacht verloren, er stürzt sich in den Strom der flüch-
tigen Scharen und wird von diesen fortgetragen. Die englischen Truppen
sind zu ermattet, als daß sie zur nachhaltigen Verfolgung verwandt
werden können; aber, um doch den Seinen das Gefühl des Sieges zu
geben, rückt der Feldherr mit ihnen noch eine Strecke weit vor, dann
macht er halt.
Es war schon etwas dunkel, als er gleich hinter dem Pachthofe
Belle Alliance mit Blücher zusammentraf. Es war ein freudiges
Wiedersehen; die beiden Führer sanken sich in die Arme. Der preu¬
ßische Feldherr, dem sein Befinden die persönliche Teilnahme am Kampfe
verbot, hatte der Schlacht in der Gegend von Plancenoit zugeschaut;
jetzt war er vorgeritten, umjubelt von seinen siegreichen Preußen. Als er
Wellington begrüßt hatte und aus Müfflings Munde erfuhr, daß dieser
sein Hauptquartier in St. Jean zu nehmen gedenke, wo Napoleon früh
habe schlafen wollen, entgegnete er: „Sagen Sie dem Herzoge, daß ich
dahin gehe, wo er diese Nacht noch schlafen will; da stöckere ich ihm
'raus." Wirklich ritt er noch eine halbe Meile bis Genappe und nahm
gegen elf Ahr im ersten Hause zur linken Hand seine Wohnung. Da
im Vorderzimmer verwundete Franzosen lagen, so befahl er, dieselben
nicht zu stören, sondern sorgfältig zu pflegen, und begnügte sich mit
einem kleinen Kämmerchen. Obschon er sehr ermattet war, so schrieb
er doch noch an seine Gemahlin einen kurzen Siegesbericht. Derselbe
begann: „Schlachtfeld von La Belle Alliance. Was ich versprochen,
habe ich gehalten." So deutete er schon damals an, wie er die Schlacht
zu nennen gedachte.
Die Verfolgung übernahm Gneisenau. Für diesen war der Tag
so herrlich wie für seinen Feldmarschall. Von dem Augenblicke an, da
die Bülowschen hinabstiegen in das Tal, bis zu demjenigen, wo er selbst