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Der kommt dem Luther wie gerufen.
Herunter flugs der Treppen Stufen
Macht er sich auf des Hauses Flur,
Damit er schau die Kreatur,
Die eben unter Fleischers Hand
Auszieht ihr schweres Wollgewand,
Und jeden, der es will, aufs Best'
Tief in ihr Innres blicken läßt.
Der Fleischer schneidet und zerlegt
Grad' wie ein rechter Fleischer Pflegt,
Der Luther schaut ihm schweigend zu,
Und endlich spricht er: „Höre du,
Ich möchte wohl, bei meiner Ehre,
Noch bei dir gehen in die Lehre."
Der Fleischer fasset sich ein Herz
Und spricht: „Wie meint ihr solchen
Scherz?
Herr Doktor, das wär' wohl verkehrt,
Wenn Metzger Klaus den Luther lehrt."
„Du nennst mich Doktor? — wohl es sei!
Doch wisse, die Anatomei
Ist mir nicht ebenso bekannt,
Wie sonst Doktoren hier zu Land;
Und weil sich dies nicht lernt im Schlaf,
Will ich es lernen hier am Schaf.
Des armen Schülers dich erbarm
Und nenn' ihm selber, Darm für Darm
Und Bein für Bein und Haut für Haut,
Milz, Leber, Magen, wie man's schaut
Am Schafe, nenn' mir alles laut,
Auch Herz und Nieren, Stück für Stück
Und sag' von jedem, wie man's drück'
Mit seinem rechten Namen aus!"
Ein solches thut der Fleischer Klaus;
Er nennet alles, wie ers weiß.
Und Luther höret zu mit Fleiß
Und merkt sich Alles wohl und gut,
Wie's kaum ein Studiosus thut.
Und als von der Anatomei
Die Lektion war bald vorbei,
Dankt er dem Fleischer freundlich gar,
Läßt reichen einen Trunk ihm dar,
Er aber kehrt zum Bibelbuch
Zurück, damit er gleich versuch'
Zu nennen alles härchenklein
Grad' eben wie's genannt sollt' sein,
Und fertigt den Leviticus
Aus einem Gusse bis zum Schluß.
Nlid, tzagenbach.
Wider den Abgott in Halle (Albrecht von Mainz, der den Ablaßhandel inzwischen er¬
neuert hatte, darauf aber einstellte): Darum sei Ew. Kurfürstlichen Gnaden endlich und schrift¬
lich angesagt, wo nicht der Abgott wird abgethan, muß ich, göttlicher Lehre und christlicher
Seligkeit zu gut, mir das lassen eine nötige, dringende und unvermeidliche Ursach sein, Ew.
Kurfürstliche Gnaden wie den Papst öffentlich anzutasten, solchem Vornehmen fröhlich einzu¬
reden, allen vorigen Greuel des Tetzel auf den Bischof zu Mainz zu treiben und aller Welt
anzuzeigen den Unterschied zwischen einem Bischof und einem Wolf. Danach mag stch Ew.
Kurfürstlichen Gnaden wissen zu richten und zu halten.
1522 (5. März): In Borna an Friedrich den Weisen: Ich komme gen Wittenberg in
gar viel einem höheren Schutz, denn des Kurfürsten. Ich hab's auch nicht im Sinne, von
Ew. Kurfürstlichen Gnaden Schutz zu begehren. Ja, ich halt, ich wollt Ew. Kurfürstlichen
Gnaden mehr schützen, denn Sie mich schützen könnte. Dazu, wenn ich wüßte, daß mich
Ew. Kurfürstlichen Gnaden könnte und wollte schützen, so wollte ich nicht kommen. Dieser
Sache kann noch soll kein Schwert rathen oder helfen, Gott muß allhier allein schaffen, ohne
alles menschliche Sorgen und Zuthun. Darum, wer am meisten glaubt, der wird hier am
meisten schützen. Dieweil ich denn nun spüre, daß Ew. Kurfürstlichen Gnaden noch gar schwach
im Glauben, kann ich keinerleiwege Ew. Kurfürstlichen Gnaden für den Mann ansehen, der
mich schützen oder retten könnte.
In der ersten Predigt in Wittenberg (Jnvoc.): Was thut die Mutter ihrem Kinde?
Zum ersten giebt sie ihm Milch, darnach Eier, und weiche Speise. Wo sie es am ersten ge¬
wöhnte und harte Speise gäbe, würde ans dem Kinde nichts Gutes. Also sollen wir auch
thun unserem Bruder, Geduld mit ihm tragen eine Zeitlang und seine Schwachheit gedulden
und helfen tragen; ihm auch Milchspeise geben, wie uns geschehen ist, bis er auch stark werde,
und nicht allein gen Himmel fahren, sondern unsere Brüder, die jetzt nicht unsere Freunde
sind, mitbringen. — Die Sache ist wohl gut, aber das Eilen ist zu schnell.