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2. Rübezahl und der Glaser.
Johann Gustav Büsching.
Einst reiste ein Glaser über das Riesengebirge; er ward von der
schweren Last des Glases, die er auf dem Rücken trug, müde und schaute
sich daher um, wo er sich hinsetzen könnte. Rübezahl, der ihn beobachtete,
bemerkte dies kaum, als er sich in einen runden Klotz verwandelte. Der
Glaser sah diesen nicht lange nachher am Wege liegen, ging mit
frohem Mute hin und setzte sich darauf. Doch die Freude dauerte nicht
lange; denn kaum hatte er einige Zeit gesessen, so wälzte sich der Klotz
so geschwind unter ihm fort, daß der arme Glaser samt seinem Glase
zu Boden fiel und das Glas in tausend Stücke zerschellte.
Der betrübte Mann erhob sich von der Erde, blickte um sich, sah
aber keinen Klotz mehr, auf dem er vorhin gesessen hatte. Da fing er
bitterlich an zu weinen und beseufzte mit herzlichem Klagen den er—
littenen Verlust; doch wandelte er seine Straße fort. Da gesellte sich
Rübezahl in Gestalt eines Reisenden zu ihm und fragte ihn, was er
doch so weine, und worüber er so Leid trage. Der Glaser erzählte ihm
den ganzen Handel, wie er auf einem Blocke gesessen, um sich auszu—
ruhen; dieser aber habe sich schnell mit ihm umgedreht, sein ganzer
Glasvorrat, wohl acht Taler an Wert, sei zerbrochen, und der Klotz
sei verschwunden. Er wisse nicht, wie er sich erholen und seinen Schaden
zu gutem Ende bringen solle. Der mitleidige Berggeist tröstete ihn,
sagte ihm, wer er sei, und daß er ihm den Possen gespielt habe; er
solle aber guten Mutes sein, denn sein Schaden solle vergütet werden.
Flugs verwandelte sich Rübezahl in einen Esel und gab dem Glaser
den Befehl, ihn in einer Mühle am Fuße des Berges zu verkaufen, mit
dem Gelde sich aber schnell von dannen zu machen. Der Glaser bestieg
nun den verwandelten Berggeist sogleich und ritt ihn vom Gebirge
hinunter zur Mühle. Er zeigte ihn dem Müller und bot ihn für zehn
Taler feil. Für neun Taler erstand ihn dieser; der Glaser nahm ohne
Säumen das Geld und machte sich davon. Das erkaufte Tier wurde
in den Stall geführt, und der Knecht legte ihm Heu vor; aber Rübe⸗
zahl sprach sogleich: „Ich fresse kein Heu, sondern lauter Gebratenes
und Gebackenes.“ Dem Knechte sträubte sich das Haar; er eilte zu
seinem Herrn und verkündete ihm die neue Mär. Als er aber in den
Stall trat, fand er nichts; denn der Esel und mit ihm die neun Taler
waren verschwunden. Aber dem Müller geschah recht, da er viele arme
Leute betrogen hatte. So bestrafte Rübezahl geschehene Unbill.