Hippias und Hipparchos. 97
der das Geld, welches er mit reicher Hand an das Volk spen¬
dete, gewannen ihm die Herzen desselben. Als er sich endlich
in der Liebe und dem Zutrauen des Volkes befestigt sah, schritt
er zur Durchführung seines Planes: die Oberherrschaft zu
erlangen.
Er brachte sich selbst mehrere Wunden bei und ließ sich,
mit Blut bedeckt, in seinem Wagen auf den Markt bringen. Hier
gab er vor, feine Gegner hätten ihn überfallen, weil sie ihn, den
Freund des Volkes und den Verteidiger der bürgerlichen Rechte,
tödlich Haffen Was Peisistratos bezweckt, geschah. Das Volk
gab ihm eine Leibwache von 50 Keuleuträgeru. Diese Schar
vermehrte er in der Stille, bemächtige sich an der Spitze derselben
der Burg und darauf auch der Stadt und erklärte sich nach
kurzer Zeit zum Oberhaupte des Staates.
Solon, der sich um diese Zeit wieder in Athen befand,
war in der Volksversammlung erschienen und hatte, als das Volk,
feinen Mahnungen gegenüber, eine Alleinherrschaft nicht aufkom¬
men zu lassen, taub geblieben war, feine Waffen vor der Thür
mit den Worten niedergelegt: „Ich habe, was ich konnte, gethan
für das Vaterland und feine Gesetze!" — Er begab sich nach
Cypern, wo er nach kurzer Zeit starb.
Die Herrschaft des Peisistratos war übrigens von Segen.
Sein Hauptstreben ging dahin, Athen zu dem mächtigsten und
gebildetsten Staate Griechenlands zu erheben. Die wichtigsten
Einrichtungen Solons ließ er bestehen und wachte über ihre ge¬
naue Befolgung. Er verschönerte die Stadt vielfach, rief auch
Gelehrte und Künstler herbei, die auf die Bildung des Volkes
einen wohlthätigen Einfluß übten. Die Athener nannten ihn
Tyrann; doch bedeutet dieser Name ursprüglich nicht einen grau¬
samen Menschen, sondern einen, der sich in einem Freistaate zum
Oberhaupte auswirft. Peisistratos starb im hohen Alter, 528 v.
Chr., mit dem Bewußtsein, das Wohl feiner Vaterstadt in viel¬
facher Hinsicht befördert zn haben.
Er hinterließ die Herrschaft feinen Söhnen Hippias und
Hipparchos, welche ganz in feinem Sinne weiter regierten und
Kunst und Wissenschaft förderten. So ließ Hipparchos an den
Straßen und Wegen Hermenfäulen errichten mit Lehren einfacher
Lebensweisheit. Hipparchos aber liebte auch rauschende Ver¬
gnügungen und Schwelgerei. Diese Neigung veranlaßte eine
Verschwörung. Ein junger Athener, Harmödios, hatte ihn
bei einem Gelage zurechtgewiesen und Hipparch verweigerte dessen
Schwester die Teilnahme an dem feierlichen Umzüge bei dem
Feste der Pallas Athene. Da verschworen sich Harmödios
Hoffmann, Weltgeschichte rc. I. 7