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207. Die Übergabe von Sedan.
I. von Berdy du Vernois.
Im Große» Hauptquartier 1870—7l. Berlin. 1895. S. 150,
Das Ziel, das man seit acht Tagen unablässig im Auge behalten
hatte, war erreicht. Eine der ersten Armeen der Welt, die sich mit
Heldenmut geschlagen, die vor kurzem noch nahe au l 50 000 Mann
gezählt hatte, eine französische Armee mit ihrem Kaiser an der Spitze,
war gezwungen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
Wenn man sonst aus einem Gefecht zurückkehrt, hat man über die
Einzelheiten des Kampfes zu erzählen und Hunderte von Fragen zu
beantworten. Heute aber wurde hierüber kein Wort verloren; nur
dann und wann sprach der eine oder andre, die wir dort zusammen¬
saßen, den Gedanken aus: „Welch ungeheures Resultat!" oder: „Was
werden sie in der Heimat dazu sagen!"
Es war ungefähr 11 Uhr abends, als gemeldet wurde, General
von Wimpffen stalte vor dem Hause. Er hatte den Oberbefehl über die
französische Armee übernommen, da Marschall Mac Mahon frühzeitig
durch eine der ersten Granaten verwundet worden war. Wir begaben
uns nach dem am Flur liegenden Zimmer; auch Graf Bismarck war hier
eingetroffen. General von Wimpffen mit noch zwei andern Generalen
und mehreren Adjutanten, alle noch die Spuren des Kampfes an sich
tragend, traten in das Zimmer, welches dicht gefüllt wurde.
Eiue seltsame, wunderbare Szene! Zwei Kandelaber mit herunter¬
gebrannten Lichtern von verschiedener Größe und eine alte Schiebelampe
reichten bei der vollgefüllten Stube nicht zur Beleuchtung aus; um
den Tisch setzten sich die Generale und Graf Bismarck, wir andern
umstanden ihre Stühle. Die verschiedenen Uniformen, die feierliche
Stille, die von Schweiß und Staub bedeckten ernsten Gesichter in der
eigenartigen Beleuchtung, alles das wild uns unvergeßlich bleiben.
Und zu all dem kam, daß, wo durch das ansgeiprungene Stück der
Lampenglocke ein Streiflicht die Wand hinaufglitt, dieses gerade aus
ein vortreffliches Bild Napoleons I. fiel, der von oben herab wie aus
einer Geisterwelt stumm fragend auf die wunderbare Szene zu seinen
Füßen blickte.
Nun begannen die Unterhandlungen, in denen General von Wimpffen
nach Kräften versuchte, bessere Bedingungen zu erlangen, als die waren,
welche General von Moltke ihm eröffnete. Dabei war Wimpffen eine
außerordentlich anziehende Soldatenerscheiuung; er klagte: „Erst vor
zwei Tagen bin ich aus dem Innern Afrikas hier eingetroffen, um