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und die Wirtschaftspolitik des Reiches, sowie das Verhältnis von Kirche
und Staat.
Schon seit Jahrzehnten haben die verschiedensten Gründe Deutsche nach
Afrika gelockt: wissenschaftliche Zwecke und führte Forscherlust (in früheren
Jahren Barth, Vogel u. ct., in der neueren Zeit Nachtigal, Emin
Pascha [©chm|er], von Wißmann, G. A. Fischer, Peters und viele
-andere); die Hoffnung, dem Handel neue Absatzgebiete zu erschließen und
weitausschauende Unternehmungslust deutscher, besonders Hamburger Kauf¬
leute (O'Swald, Wörmann und andere); Glaubenseifer und das Streben,
dem Sklavenhandel entgegenzutreten. Andere Nationen waren vorange¬
gangen. Seit der Zeit der großen Entdeckungen hatten sich Portugiesen und
Holländer, Engländer, Franzosen u. a. afrikanisches Gebiet erworben. Für
Brandenburg - Preußen hatte der große Kurfürst (s. S. 188) für einige Zeit
Besitzungen an der Goldküste erlangt. Nach dem Verluste dieser Länder
haben die Deutschen sich nur als Einzelne auf fremdem Boden angesiedelt.
Seit 1884 ist das Deutsche Reich Kolonialmacht geworden. Es besitzt jetzt
Länderstrecken in Ostafrika, in Westafrika (Kamerun und Togo, sowie das
Lüderitzland im Süden). Vom Reiche unterstützte Dampferlinien sind zur
Hebung des Verkehrs nach diesen Ländern bestimmt. Über den Vertrag
zwischen England und Deutschland von 1890 s. S. 294. In der Südsee
hat Deutschland das Kaiser-Wilhelmsland auf Neu-Guinea und den Bis-
marck-Archipel erworben.
Der Streit zwischen Kirche und Staat ist besonders dadurch zu größerer
Heftigkeit gelangt, daß die Gründung des Deutschen Reiches in dieselbe Zeit
fiel wie der Beschluß des vatikanischen Konzils, daß die Unfehlbarkeit des
Papstes in Sachen des Glaubens und der Moral der Welt als neues
Dogma verkündet werden solle. Dieser Beschluß führte zur Gründung der
klerikalen Partei (des „Zentrums") und zu dem „Kulturkämpfe". Seit
dem Tode Pius' IX. 1878 ist Leo XIII. Papst.
Elsaß-Lothringen wurde zum Reichslande erklärt. Nachdem das Land
anfangs von einem Oberpräsidenten unter Oberleitung des Reichskanzlers
regiert worden war, erhielt es später eine größere Selbständigkeit. Feld¬
marschall von Mantenffel wurde zum Statthalter ernannt, und nach dessen
Tode 1885 trat der Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst an seine Stelle.
Noch heute fehlt viel, daß die Freude über die Zusammengehörigkeit mit
Deutschland in der Bevölkerung allgemein sei. Aber wiederholte Besuche
der Kaiser Wilhelm I. und ü., sowie des Kronprinzen Friedrich Wilhelm in
dem Reichslande haben das deutsche Gefühl gestärkt, und es ist zu hoffen, daß
auch die Herzen der Elsaß-Lothringer dem alten deutschen Vaterlande wieder