Morwort.
Der Geschichtsunterricht in der Taubstummenschule muß von
vornherein auf systematische Vollständigkeit verzichten. Er kann
dies aber auch unbeschadet der Zwecke, welche er verfolgt. An
einer Reihe der wichtigsten Personen und Thatsachen aus
der deutschen und preußischen Geschichte soll er nämlich
den Schüler zum Verständnisse der hervorragendsten Entwick¬
lungen seiner Vorfahren in religiöser, geistiger und politischer
Hinsicht führen; dadurch den Glauben an den Erhalter und
Regierer der Welt bestärken, das Gefühl für Vaterlands¬
liebe wecken und beleben, kurz: Gemüt und Charakter des
Schülers bilden. Diese Zwecke werden durch lebeusfrifche, abge¬
rundete Geschichtsbilder eher uud sicherer erreicht, als durch
eine leere Nomenklatur. Die hohe Bedeutung des Geschichts¬
unterrichtes für die sprachliche Bildung des Taubstummen
kann und braucht hier wohl keiner nähern Begründung und Er¬
örterung unterzogen zu werden.
Die für Volksschulen freilich sehr zahlreichen Geschichtsbüchlein,
Leitfäden und wie sie alle heißen, sind für die Taubstummenschule
mehr oder weniger unbrauchbar. Ein eigens für Taubstummen
bearbeitetes derartiges Geschichtswerkcheu ist mir aber nicht be¬
kannt. Daher wird der vorliegende Versuch zur Ausfüllung dieser
Lücke nicht bloß Entschuldigung, sondern vielleicht auch da und
dort willkommene Aufnahme finden.
Freilich stehen der Einführung der Geschichte als selbständigen
Unterrichtsgegenstand in die Lehrpläne der Taubstummenschuleu
vielfach noch manche Hindernisse entgegen. Allein, man wird
trotzdem in jeder Anstalt, auch bei nur sechsjährigem Bildungs-
kursus im letzten Jahre wöchentlich wenigstens eine, wenn nicht
zwei Stunden für den Geschichtsunterricht erübrigen können. An¬
stalten mit sieben- oder achtjährigem Kursus gewinnen ja sicher
in den letzten Jahren die nötige Zeit sür diesen schönen und wich¬
tigen .Unterrichtsgegenstand. Mit Rücksicht auf diese verschieden¬
artigen Verhältnisse der deutschen Taubstummen-Anstalten ist das
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