Full text: Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte (Band 1)

480 Zweites Buch. II. Abschnitt: Bilder aus der Zeit der frank. u. stauf. Kaiser. 
Und auch das geringe Volk hatte seinen Teil an dem fröhlichen Feste. 
Der Armen und Kranken, der Pilger und Gefangenen, der Spielleute und 
Sänger und Gaukler, die an solchen Tagen von allen Seiten hergezogen 
kamen, wartete reiche Gabe. Die Ritter und Knappen wurden mit Roß 
und Waffen, mit kostbaren Kleidern, Silber und Gold beschenkt. Der Kaiser 
und seine Söhne waren die ersten, die mit vollen Händen ihre Gaben spendeten. 
Ihnen zu Ehren und um sich selbst ob ihres Reichtums und ihrer „Milde" 
preisen zu hören, folgten die Fürsten nach, in Freigebigkeit einander überbietend. 
Freude und Wonne ging durch alle Stäude des Volks. Was in der 
Zeit Schönes keimte und blühte, fand sich vereint. Eben jetzt erwachte die 
höfische Dichtkunst, ihre frühesten Klänge mögen in Mainz erklungen sein; 
Heinrich von Veldeke, der „das erste Reis in deutscher Zunge impsete", hat 
diese Tage selbst mitgefeiert und sie im Gesänge verherrlicht. Die Blüte des 
Rittertums, die Macht des Reiches, die Größe der Nation, die Glorie des 
Kaisertums faßte sich in einem hehren Bilde zusammen. Herr Guiot de 
Provins wußte, nach Frankreich heimgekehrt, was er gesehen hatte, nur mit 
den Hostagen Alexanders und des Königs Artus zu vergleichen. Es war 
ein großes Nationalfest, wie Deutschland nie wieder eins gefeiert hat. 
Mit dem Abend des dritten Tages hatten die Festlichkeiten ein Enden¬ 
der Ruf aber von dieser Mainzer Pfingsten ward jetzt in nahe und ferne 
Lande getragen von der Menge der Gäste, die „alle froh von dannen schieden 
und Lob dem Könige fungen, ein jeder in seiner Zungen". 
Kaiser Friedrich aber hoffte noch ein Größeres zu erleben; und wenn 
er über die Herrlichkeit des Augenblicks und fein eigenes Leben hinaus sah, 
so ging ihm eine glänzende Zukunft auf in den fünf Söhnen, die ihn umstanden: 
die sicherste Bürgschaft für die Größe des Reichs und den Ruhm des staufischen 
Hauses schien ihm in ihnen gegeben zu sein. Zu den höchsten Erwartungen 
berechtigte vor allen der Erstgeborene, Heinrich. Schon vor fünfzehn Jahren 
war er zum Könige gewählt und gekrönt worden; neue Kronen gedachte ihm 
jetzt der Vater aufs Haupt zu setzen, als er sich unter dem frischen Eindruck 
des Mainzer Reichsfestes wieder dem Süden zuwandte. 
Freudiger und hoffnungsvoller als je seit seinem ersten Römerzug sah 
man den Kaiser im August zum sechstenmal über die Alpen nach Italien 
hinunterziehen, nicht wie sonst an der Spitze zahlreicher deutscher Heereshaufen, 
sondern mit wenigem auserlesenen Gefolge, wie es die Geschäfte des Friedens 
erheischten. Diesmal thaten sich die Thore der lombardischen Städte von 
selber auf. Gleich bei feinem Eintritt in Italien ward ihm von den Veronesern 
ein festlicher Empfang bereitet, die übrigen Städte wetteiferten miteinander, 
ihm ihre Ergebenheit zu bezeugen, und als er im nächsten Frühjahr von 
Pavia her nach Mailand kam, glich sein Weg einem Triumphzuge. 
Auch das Verhältnis zu feinem alten Gegner, dem Normannenkönig 
Wilhelm in Sicilien, hatte feit dem Vertrag von Venedig eine ganz andere 
Wendung bekommen. Noch war freilich aus dem Waffenstillstand kein 
Friede geworden, aber Größeres als ein Friedensschluß war im Werk und 
nahe schon dem gewünschten Ziele. 
Am 29. Oktober 1184 war zu Augsburg im bischöflichen Palast das 
Verlöbnis Königs Heinrichs mit Konstantia, der Erbin von Neapel und
	        
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