Full text: Völkerwanderung und Frankenreich (Teil 2)

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sätze ausgleichen, die Gegensätze zwischen Romanen und Germanen, Gebildeten 
und Barbaren, Athanasianern und Arianern oder Heiden, Verweichlichten 
und Kriegern? Man erzählt, daß Rufinus, die Gunst der Goten zu 
gewinnen, in ihrem Lager in germanischer Tracht erschienen sei. Römer 
spotteten über sich, daß sie nur mehr die Weiber, die Goten aber die 
Männer im Reiche seien. Man fing an, die Ursachen solch schmachvollen 
Zustandes zu untersuchen und Mittel der Besserung vorzuschlagen. Ein 
Redner der Zeit, Synesins, sprach: „Ehe man duldet, daß die Skythen 
(Goten) hier im Land in Waffen einhergehen, sollte man alles Volk zu 
Schwert und Lanze rufen; eine Schmach ist es, daß dieser menschenreiche 
Staat die Ehre des Krieges Fremden überläßt, deren Siege uns beschämen, 
selbst wo sie uns nützen; diese Bewaffneten werden unsere Herren spielen 
wollen, uud alsdann werden wir Kampfunkundige mit Kampfgeübten zu 
kämpfen haben. Wiedererwecken müffen wir den alten Römersinn, unsere 
Schlachten selbst schlagen, mit Barbaren keine Gemeinschaft pflegen, sie aus 
allen Ämtern vertreiben, so zumal aus dem Senat; denn innerlich schämen 
sie sich doch nur dieser Würden, die uns Römern von je als die höchsten 
galten. Themis und Ares müssen sich verhüllen, sehen sie diese pelzstarren¬ 
den Barbaren über Männer im römischen Kriegskleid befehlen oder, ihr 
Schaffell ablegend, rasch die Toga umwerfen und so mit römischen 
Magistraten zusammen beraten und entscheiden die Dinge des römischen 
Reiches! Wenn sie den Ehrensitz einnehmen dicht neben dem Konsul, vor 
edlen Römern, wenn sie, sobald sie die Kurie verlassen, wieder in ihre 
Wildschur schlüpfen, unter ihren Genossen die Toga verlachend, in der 
man, so spotten sie, das Schwert nicht ziehen kann. Diese Barbaren, bis¬ 
her brauchbare Diener unseres Staates, wollen nun unseren Staat beherr¬ 
schen! Wehe, wenn ihre Heere und Führer sich empören und ihre zahl¬ 
reichen Landsleute, die als Sklaven im ganzen Reich verbreitet sind, zu 
ihnen strömen!" (Delbrück II, 265—266.) Die von Synesius aus¬ 
gesprochene Abneigung gegen die Barbaren im Lande war weitverbreitet 
und so stark, daß man in einzelnen Städten plötzlich über die einquartierten 
Goten hersiel und sie ermordete. 
Die Gewalttat öffnete den Goten den gehaltenen Blick. Sie sahen 
jetzt, daß Gewalttat und List ihr Volkstum vernichten wollten. Dumpfer 
Groll wühlte in ihrer Brust. Daß er zur rettenden Tat ward, das dankten 
die Goten einem jungen Krieger aus dem Geschlechte der Balthen, Alarich. 
Ihm brannte die Not seines Volkes und eigne Not auf der Seele. 
Alarich war in den Kriegen herangewachsen, in denen sein Volk seit 
dem Hunneneinfall lebte. Er hatte für Rom gestritten, im Heere des 
Theodosins 395 am Frigidus bei Aquileja ein Kommando über Römer 
und Goten geführt, doch als ein Offizier dritten Ranges. Sein Ehrgeiz 
strebte höher. Er verlangte von Rnsinus höheren Befehl und Rang.
	        
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