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Turin), sondern den bequemsten und für die Verproviantirung vortheilhaftesten über den
kleinen Bernhard, und auch diesen nicht auf dem nächsten Wege (durch das untere
Iserethal), sondern er ging das linke Rhoneufer aufwärts bis Vienne und dann mitten
durch die reiche, schon damals dicht bevölkerte sog. Insel der Allobroger (welche im
Westen und Norden von der Rhone, im Süden von der Isöre umschlossen wird); auf
einem sehr steilen Wege kam er nicht ohne Verlust am See von Bourget hinab, dann
über Chambery in das Iserethal, welches bis zum Fasse des kleinen Bernhard verfolgt
ward. Nach einem durch die vorgerückte Jahreszeit schwierigen Uebergang folgte er
dem Laufe der Doria über Aosta bis Ivrea, wo die erschöpften Truppen sich durch eine
vierzehntägige Rast von den ausserordentlichen Anstrengungen und Entbehrungen er¬
holten. Darauf erstürmten sie Turin (Taurasia), zogen am Po abwärts, besiegten den
Scipio in der Ebene zwischen der Sesia und dem Ticinus, gingen, da Scipio die Po-
brücke hinter sich abgebrochen hatte, weiter aufwärts hinüber und trafen die vereinigten
consularischen Heere (des Scipio und Tiberius Sempronius) hinter der stark angeschwollenen
Trebia aufgestellt. Hannibal lockte die Gegner durch den Fluss auf dessen linke (?)
Seite und schlug sie. Im Frühjahre 217 fand er weniger Schwierigkeiten bei dem
Apenninenübergang, den er in möglichst westlicher Richtung bewerkstelligte, als in den
sumpfigen Niederungen des Arno, wo die Armee 4 Tage im Wasser marschirte. Von
Fäsulä (unweit Florenz) zog Hannibal, das Heer des Consuls C. Flaminius, welches bei
Arretium stand, umgehend, gegen Perusia; eilig folgte ihm der Consul und erreichte ihn
in der Gegend von Cortona, wo Hannibal in einem engen Defilö zwischen steilen Berg¬
wänden, welches in den trasimenischen See mündete, das römische Heer mit seinem
Anführer vernichtete. Darauf zog der Sieger nicht gegen Rom, wo man ihn schon er¬
wartete, sondern an der Festung Spoletum vorbei nach Picenum bis an die Küste des
adriatischen Meeres, dann an der Küste entlang nach Unteritalien. Als er an der rö¬
mischen Festung Luceria vorbei gegen Arpi marschirte, erfuhr er den Plan des Q. Fabius
Cunctator, ihn durch kleine Gefechte zu schwächen und allmählich auszuhungern. Dess-
halb rückte er an dem römischen Heere vorbei über den Apenninus nach Beneventum
und weiter nach Capua; aber als der erwartete Abfall der Campaner nicht erfolgte,
wandte er sich zurück nach Apulien, und als Q. Fabius ihm bei Casilinum (dem heutigen
Capua) den Weg versperrte, täuschte er ihn durch die List mit den Ochsen, die brennende
Reisigbüschel auf den Hörnern trugen, und gelangte nach Allifä. Dann nahm er den
Schein an, als wenn er auf Rom losgehe und drang in nordöstlicher Richtung bis in das
Gebiet der Peligner vor, kehrte aber über Geronium nach Apulien zurück, wo er 216
den glänzenden Sieg bei Cannä am Aufidus gewann, der den Abfall der meisten Völker
Unteritaliens, der meisten Samniter, des wichtigen Capua und sämmtlicher cisalpinischer
Gallier entschied.
Blatt
Das letzte Blatt stellt die Wohnsitze der celtischen und germanischen
Völker dar. Von den ersteren, welche über Gallien, Britannien und Rätien
verbreitet waren und den Römern unterworfen wurden, ist bereits in den Er¬
läuterungen zu Blatt VII. die Rede gewesen.
Die germanischen Völkerstämme zerfallen in 1) die westrheinischen
Germanen, welche längere Zeit unter römischer Herrschaft standen, 2) die eigent¬
lichen Germanen zwischen Rhein, Elbe und Donau, 3) die suevischen oder
östlichen Germanen jenseit der Elbe.
I. Zu den westrheinischen Germanen, welche schon früh durch die
römische Herrschaft von ihren Stammgenossen auf dem rechten Rheinufer getrennt
wurden, gehören die Nemeten (zwischen Strassburg und Speier) und die Van-
gionen (in der Gegend von Worms), beide also in dem spätem Germania superior,
ferner in dem ursprünglichen belgischen Gallien (einschliesslich Germania inferior):
die Treverer zu beiden Seiten der Mosel, deren Hauptort Col. Treverorum (Trier)
sich in der Folge zur Hauptstadt von ganz Gallien erhob, die Aduatiker an der
mittlern Maas, die Nervier an der Sambre, die Menapier an der Schelde, die
Moriner an dem Fretum Gallicum (Canal la Manche), die Tungern zwischen
Maas und Schelde, die Eburonen an der Maas, endlich die Bataver im Delta¬
lande des Rheines, deren Gebiet von Cäsar noch zu Germanien, unter Augustus
aber schon zu Gallien gerechnet wurde. Zu diesen gallischen Germanen kamen
zuletzt noch die Ubier (von Neuwied bis Köln gegenüber) hinzu, welche unter
Augustus auf die linke Rheinseite versetzt wurden und namentlich im batavischen
Freiheitskriege als treue Bundesgenossen der Römer erscheinen.
II. Die eigentlichen Germanen zerfallen wieder in drei Hauptstämme,
deren Namen auf die 3 Söhne des (mythischen) gemeinschaftlichen Stammvaters
Man, nämlich auf Ingo, Isco und Irmino, zurückgeführt werden.
a) Die Istävonen (nach J. Grimm: Iscävonen), ober die Westländer auf dem
rechten Ufer des Mittel- und Niederrheins vom Einflüsse des Mains bis
zur Mündung der Yssel. Zu ihnen gehörten:
1) Die Usipeter, theils am Mittelrhein, theils am Niederrhein (von der
Insel der Bataver aufwärts bis zur untern Lippe).
2) Die Tencteren, welche stets in Verbindung mit den Usipetern
(gleichsam als eine Völkerschaft) erscheinen, nahmen etwa um die
Mitte des ersten Jahrhunderts die Wohnsitze der von Augustus auf
VIII.
das linke Rheinufer (in die Schutzgewalt der Römer) versetzten
Ubier ein.
3) Die Sigambern oder Sicambrer (wahrscheinlich die Gamabrinen des
Strabo und Gambrivier des Tacitus) in dem Berglande zwischen
Lippe und Lahn (?) bis zum Rheine.
4) Die Bructerer zwischen der Lippe und der obern Ems.
5) Die Chamaven, nördlich von der Lippe bis zu den Grenzen der
Friesen.
6) Die Marsen, ein später ganz verschollener Name für Völkerschaften
im Norden der Bructerer bis zu den Cherusken und nördlich bis zu
den Chauken.
b) Die Ingävonen oder die Küstenbewohner an der Nordsee vom Ausflusse
des Rheins bis in die cimbrische Halbinsel (Jütland).
1) Die Friesen in dem Küstenlande von der östlichen Mündung des
Rheins bis jenseit der Ems und auf den Inseln an dieser Küste, von
ihren stammverwandten Nachbarn durch besonderes Recht und be¬
sondere Sprache bis auf den heutigen Tag geschieden.
2) Die Amsibarier im Binnenlande (südlich von den Friesen und Chauken)
zu beiden Seiten der mittlern Ems.
3) Die Chauken (Chauci) in den Marschländern von der untern Ems
bis zur untern Elbe, also zu beiden Seiten der untern Weser, wahr¬
scheinlich auch eine Völkerverbindung, wie die Cherusken (s. unten).
4) Die Angrivarier im Binnenlande zu beiden Seiten der Weser (ober¬
halb des Einflusses der Aller) und der untern Aller; sie erscheinen
später unter dem Namen der sächsischen Engern.
5) Die Saxönen im Osten der untern Elbe (im heutigen westlichen
Holstein), ein kleiner Stamm, dessen Name nach der Zeit des Ptole-
mäus für Jahrhunderte lang aus der Geschichte verschwindet, dann
wiederum in Britannien auftaucht und, von da aus nach dem Fest¬
lande getragen, zuerst für die Friesen am Rhein, dann, im Gegensatz
zu den Franken, für die Niederdeutschen zwischen Rhein und Elbe
in Gebrauch kam.
Wie man (nach Plinius und Ptolemäus) den westlichen Theil der