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dem Nachbarquartier, das Geheul geht von neuem los, die Nöter
der Nebenstraßen greifen es auf, und der Heidenlärm herrscht wieder
auf der ganzen Cinie.
Warum diese vierbeinige lärmende Gesellschaft nicht beseitigt
wird? Die Straßenpolizei von Konstantinopel zeichnet sich nicht
eben durch zu große Sorgsamkeit aus, und was von ihr in bezug
auf die Reinlichkeit der Stadt versäumt wird machen die Hhunde
wieder gut. Wie in den nordafrikanischen und indischen Städten
die Raben, in Siam die Aasgeier, in Mexiko und Südamerika die
Zopilotes, so vertilgen in Konstantinopel die Hunde allen Straßen—
unrat. Tieräser bleiben ja auf der Straße liegen, Küchenabfälle
u. dergl. werden einfach vor die Haustüren geworfen, und die
Straßen müßten binnen kurzem vor Misthaufen ungangbar werden,
wenn die Hunde nicht sofort alles, was nicht gerade Holz, Stein
oder Glas ist, auffressen würden. Des Morgens sind die Straßen
von ihnen so gründlich gesäubert, wie es ihre Mägen nur zulassen,
die Unratshaufen sind verschwunden, und an ihrer Stelle liegen auf
der Straße, zu Kreisen zusammengekrümmt, die Schnauze unter dem
eignen Schwanz, die vierbeinigen Sanitätspolizisten und schlafen.
Wenn sie ihre Tageseinteilung doch nur jener der Menschen
anpassen, d. h. bei Tage wachen und zur Nachtzeit schlafen würden!
Aber nein! Von Sonnenuntergang bis zum Tagesanbruch sind sie
alle auf den Beinen und treiben allerhand Schabernack, gehen auf
Raub, Überfall, Abenteuer, Uriegszüge, Serenaden und Balgereien
aus, und fangen die Menschen ihr Tagewerk an, dann legen sich
die Hunde schlafen. Glücklicherweise werden sie durch den Straßen⸗
verkehr und Straßenlärm nicht im mindesten gestört. Sie legen sich
dorthin, wo es ihnen eben paßt, in die Rinnsteine, auf die von
Fuhrwerken unaufhörlich durchrasselten Straßen, auf die von Tau—
senden von Fußgängern begangenen Seitensteige, an Straßenecken
oder in Tornischen, überall dorthin, wo es warm und sonnig ist,
und schlafen, träumen, zu Rudeln oder zu Familien, Papa, Mama
und Kinderchen, neben-⸗ und aufeinander, besonders unverträgliche
Gesellen auch einzeln. Die Menschen sind gegen sie bei Tag rück⸗
sichtsvoller als sie gegen die Menschen zur Nachtzeit. Während sie
dann alles, was VNerven hat, aus dem Schlafe scheuchen, ärgern
und peinigen, fällt es den Menschen nicht ein, Gleiches mit Gleichem
zu vergelten. Die Tausende und Abertausende, die die großen
Muttersprache. A. V.
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