Der russisch-türkische Krieg 1877/78.
Nr. 15.
Der Krieg und der Berliner Friede.
A. Die von den Russen im Süllen genährten Unruhen in Bosnien und
Bulgarien waren von den Türken grausam niedergeschlagen. —
Die Serben, ebenfalls von Rufsland zum Kriege angeregt und unter-
• stützt (Ignatieff, Tschernajeff) hatten sich auch im Felde nicht
behaupten können und den Frieden wieder erbeten. — Jetzt trat
Rufsland unmittelbar gegen die Pforte auf. — Verlangen nach Selbst¬
verwaltung der Provinzen und — einer Verfassung derselben.
B. Der mit unzulänglichen Mitteln (dazu die Unredlichkeit) unter¬
nommene Krieg wird zuletzt mit gewaltigen Truppenmassen (auch
Rumänen) weitergeführt und endet nach Plewnas Fall mit vollem
kriegerischen Erfolg. — Auch in Asien wird zuletzt glücklich ge¬
kämpft und Kars erobert.
C. Der in St. Stefano geschlossene Waffenstillstand mit seinen vor¬
läufigen Bestimmungen wird in Berlin nachgeprüft und bringt aufser
einer (schuldig gebliebenen) Geldentschädigung
den Russen die alte Donaugrenze (aber nicht die drei Donau¬
mündungen); dazu die Festung Kars und den wertvollen
Häfen Batum.
Bulgarien wird unabhängig.
Ostrumelien selbständige Provinz.
Serbien erhält Nisch,
Montenegro Antivari und Dulcigno (Küste),
Griechenland Zuwachs in Epirus und Thessalien,
Rumänien für das entrissene Stück von Bessarabien die ver-
gröfserte Dobrudscha.
Österreich die „Okkupation“ (verschämte Aneignung) von Bosnien
und der Herzegowina.
Weitere Ergebnisse:
Bulgarien erweitert sich um Ostrumelien und wird dadurch
stärker und selbständiger, als es Rufsland lieb ist.
England nimmt als Entgelt für seine Dienste zur Erhaltung des
Vollbestandes der Türkei Cypern. (Euphratbahn.)
Rufsland, das für seine ungeheueren Opfer fast noch weniger
erreicht hat, als Österreich und England, grollt dafür — dem
„ehrlichen Makler“ in Berlin und nähert sich den Franzosen
(wie Österreich den Deutschen).
Die Türkei scheint mit ihrem so schmal gewordenen Besitz an der
Grenze der Lebensfähigkeit angekommen zu sein. („Kranker
Mann“.)
Trotz dieser Schwäche wird ein Angriff der Griechen
1897 glänzend zurückgeschlagen, endet aber doch mit dem
Verluste Kretas,
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A.uf der Balkanhalbinsel gehören 1895
den Türken noch .......
zu Griechenland ....... 1200 „ „2 000 000
Bulgarien ........... 1200 „ „ 2100000
Ostrumelien 650 „ „ 1100 000 „
Serbien 1000 „ „ 2100000 „
Bosnien und die Herzegowina . 1000 „ „ 1500000 „
Dalmatien 260 „ „ 500000 „
Montenegro 180 „ „ 200000 „
Von den Einwohnern der europäischen Türkei sind nur
52% Mohamedaner; die anderen zumeist griechisch-orthodox und
deshalb vom russischen Kaiser abhängig.
25 °/o Osmanen; die anderen vorwiegend Griechen,Albanesen, Bulgaren
und Serben und deshalb meist den slawischen Russen zugetan.
Der Bestand der jetzigen Verhältnisse hängt lediglich vom Willen der
Grofsmächte, nicht mehr von dem der altersschwachen Türkei
selber ab. Letztere behandelt deshalb alle schwierigen Fragen
hinhaltend. (Dulcigno.)
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Suleiman P.
später Wessel P.
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.Kreta 1897
Lev antisches Meer
Nachdem die Russen ungestört die Donau überschritten, die alte Hauptstadt
Tirnowa besetzt und über den unbewachten Hainkiöj - Pafs vom Süden aus des
wichtigen Schipka-Passes sich bemächtigt haben und nichts dem Vormarsche auf
Konstantinopel mehr im Wege zu stehen scheint, zeigt sich plötzlich von Widdin
her der energische Osman Pascha mit einer kleinen aber tüchtigen Armee in ihrem
Rücken. Er verschanzt sich, die Verbindungen der Russen auf das äufserste ge¬
fährdend, in Plewna. (In nächster Nähe die einzige ! russische Donaubrücke.) Der¬
selbe kann trotz dreimaliger Stürme (20/7, 30/7, 11/9) nicht wieder vertrieben werden.
Gleichzeitig sucht Suleiman Pascha von S. und Mehemed Ali von Schumla her die
Russen zurückzuwerfen. Erst dann, als Osman Pascha durch vierfache Übermacht
umstellt und ausgehungert ist (Totleben), wird er am 10/12 zur Ergebung genötigt;
Gurko überschreitet nunmehr zum zweiten Male auf Sofia zu den Balkan, um auch
die Entsatzarmee zurückzutreiben und zieht dann nach seinem Siege bei Taschkesen
im Maritzatale nach Philippopel. Die im Schipka-Pafs stehengebliebenen Türken
werden überwältigt, und nun endlich können die Russen ungestört unter Skobeleff
auf Konstantinopel zu marschieren.