Full text: Großes Lehrbuch der Geographie (Ausg. C)

Armenien. Euphrat- und Tigrisland. 
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hängiges Fürstentum, Kos, Rhodos, etwas größer als Rügen, kaum noch ein Schatten 
von dem, was es einst gewesen. Das syrische Sprichwort, daß dort, wohin der Türke 
seinen Fuß setzt, das Erdreich auf hundert Jahre unfruchtbar werde, trifft zu auch aus 
dieses einst mit Recht gepriesene Eiland. 
Das herrliche, aber herabgekommene und seit dem Mittelalter wegen seines un¬ 
gesunden Klimas verrufene Cypern, 9600 qkm, also wie Corsiea, etwa halb so groß wie 
Schleswig-Holstein, ist gebirgig im N. und S.W., hier der Trö od os (fast 2O0O m). Der 
Weinbau reicht bis 1600 m hinauf, aber besser gepflegt ist der Maulbeerbaum wegeu 
der Seidenerzeugung. Herrlich gelegen ist im Innern die Hst. Nicosia. Die Insel, 
ehemals das stolze Besitztum Venedigs, 1878 von der Türkei an England bedingungsweise 
abgetreten, hebt sich durch die Fürsorge der neuen Besitzer. 4 der Einw. sind Christen. 
2) Das armenische Hochland, von zahlreichen Bergzügen durchsetzt, ist 
das Quellland der Zwillingsströme Euphrat und Tigris (d. i. der Pfeil), mit 
den Salzseen Wän und Ürmi; jener liegt höher als die Spitze des Rigi, 
dieser ist 4650 qkm groß. Der blendend weiße Gipfel des Großen Ararat 
(5160 m)1 hat von jeher die Phantasie der Morgenländer ergriffen und einen 
Sagenkreis um sich gesammelt. — Der s. Abhang des Hochlandes heißt 
Kurdistan, das Land des räuberischen, halb heidnischen Reitervolks der 
Kurden, das alte Assyrien. 
Die friedfertigen, handeltreibenden Armenier-, arischen Ursprungs, huldigen 
größtenteils noch ihrem eigenen christlichen Bekenntnisse und stehen unter einem 
Patriarchen, der im russischen Etschmiadsin seinen Sitz hat; sie sind bildungs¬ 
fähiger als die übrigen Morgenländer und besitzen ein gutes Volksschulwesen. 
In jüngster Zeit sind sie den traurigsten Verfolgungen seitens der Türken und 
Kurden ausgesetzt gewesen. 1,15 Mill. von ihnen leben so zerstreut durch das 
türkische Reich, daß sie nur im Konia-Vilajet die Mehrheit bilden. Am dichte¬ 
sten Hausen sie noch am Wän-See, sodann im russischen Armenien rund 
1 Mill., im persischen gegen 100 000. 
Das türkische, das russische und das persische Armenien berühren sich am Ararat. 
Im türkischen bildet ErserünG an der wichtigen Karawanenstraße vom persischen 
Tebris nach Tarabison, durch seine starken Festungswerke auf hohem Felskegel noch den 
einzigen Riegel gegen Rußland, nachdem Kars und Datum in dessen Hände gefallen sind. 
— Die unwirtlichen Höhen Armeniens bilden das „Türkische Sibirien", da hierhin alle 
verdächtigen Personen verbannt werden. Die armenischen Bauern leben zum Teil noch wie 
beim Durchmärsche Lenophons in unterirdischen, sehr dürftig ausgestatteten Wohnstätten. 
3) Das Stromland des Euphrat und Tigris. Beim Austritte nus dem 
Hochlande von Armenien nähert sich jener, die Tanruskette in Fällen und 
Klammen durchbrechend, bis auf 4 km der w. Quelle des Tigris und wendet 
sich, nachdem er in w. Richtung geströmt ist, als wolle er ins Mittelmeer 
gehen, s.ö. wieder dem Tigris zu, mit dem er dann bis Bagdad die Steppen¬ 
landschaft Mesopotamien, das Al-Dschesira (d. i. die Insel) der Araber, 
bildet. An Länge kommt er fast der Donau gleich. Sein Zwilliugsstrom 
Tigris, 1850 km lang, mit tieferem Bette als der Euphrat, durchsetzt bis 
zu seinem Eintritt in das Tiefland gleichfalls die Tauruskette. Von Bagdad 
ab erweitert sich die Ebene zwischen den Flüssen, deren Niederschlag sie ist, 
das heutige JräO-Arabi, das alte Babylonien, durchschnitten von einem 
1 Der Kleine Ararat mißt 3915 in. 
- Der letzte Teil der selbständigen armenischen Königreiche kam 1522 unter osmanische Herrschaft. 
a D. i. Ars der Rum, d. i. Griechen, die es im Mittelalter gründeten. 
4 Irak ist aus Arsaka, d. i. Land der Arier, einem früheren Namen Mediens, entstanden. 
v. Seydlitz, Geographie. Ausg. 6. 23. Bearb. 14
	        
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