1790
bis
1792
1792
bis
1806
106 Das Königreich Preußen.
Ideen der Jakobiner Anhänger, ihre Thaten Nachahmer finden könnten.
Auch erweckte das Schicksal der unglücklichen Königsfamilie Anteilnahme.
Noch während die konstituierende Versammlung tagte, verbündete sich der
ritterliche Friedrich Wilhelm II. mit Kaiser Leopold II. (1790—1792),
dem Bruder der französischen Königin, zur Rettung des bedrängten
Königtums und zur Eindämmung der Revolution. Bei einer Zusammen¬
kunft der beiden Herrscher in dem Schlosse zu Pilsnitz bei Dresden
verabredeten sie eine gemeinschaftliche Aufforderung an die Monarchen
Europas, mit ihnen an der Wiederherstellung der Ordnung in Frank¬
reich mitzuwirken. Der hierdurch beabsichtigte Zweck, die Einschüchterung
der Revolutionsmänner, ward jedoch nicht erreicht. Sie trieben ihr Un¬
wesen um so frecher und zwangen den schwachen König, seinem Neffen
Franz II. (1792 —1806) den Krieg zu erklären.
Der Feldzug in der Champagne (1792). Die Heere Preußens
und Österreichs zogen über den Rhein und vereinigten sich dort mit den
ihrer harrenden Truppen, welche von vornehmen Emigranten angeworben
worden waren. Die Verbündeten wiegten sich in dem Gedanken, daß
die große Mehrzahl des französischen Volkes königstreu gesinnt sei und
in den Einrückenden seine Befreier von der verhaßten Herrschaft der
Pariser Republikaner begrüßen werde. Der preußische Oberfeldherr,
Herzog Karl von Braunschweig, der bereits im Siebenjährigen
Kriege unter seinem Oheim Ferdinand sich Lorbeeren erworben hatte,
bezeichnete den Feldzug als einen militärischen Spaziergang. Mit
hochfahrenden Worten drohte er noch vor der Überschreitung der Grenze
in einem an das französische Volk gerichteten Manifest (öffentlichen
Erklärung), jeden Widerstand gegen seine Truppen als Rebellion zu be¬
strafen, für die geringste Gewaltthat gegen die königliche Familie aber
eine ewig denkwürdige Rache durch die Zerstörung der Hauptstadt zu
nehmen. Solche Drohungen verletzten den Nationalstolz der Franzosen
und erfüllten sie mit Besorgnis vor der Wiedereinführung des eben ab¬
geschafften Feudalwesens. Die Verbündeten fanden die Bevölkerung von
feindseligen Gesinnungen erfüllt. Auch litten ihre Truppen durch die
Ungunst der Witterung und die mangelhafte Verpflegung sehr, und in¬
folge übermäßigen Genusfes unreifer Weintrauben brach die Ruhr aus.
Nichtsdestoweniger eroberten sie einige lothringische Festungen und drangen,
wenn auch langsam, in die Champagne ein. Der französische Oberbefehls¬
haber Lafayette entwich auf die Nachricht von dem am 10. August er¬
folgten Sturz des Königtums von seinem Heere, fiel aber in die Hände
der Verbündeten, die ihn mehrere Jahre in ihren Festungen gefangen
hielten. Bei Valmy, zwischen Verdun und Reims, traf der Herzog
von Braunschweig ein französisches Heer, wagte aber in übertriebener
Bedächtigkeit keine Schlacht, sondern begnügte sich mit einer nutzlosen
Kanonade und trat hierauf den Rückzug an. Die Furcht der Franzosen
vor dem ruhmbedeckten Heere Friedrichs des Großen verwandelte sich
hierdurch in Siegeszuversicht und Übermut. Unter den Klängen der
Marseillaise (marßeljäs), des neuen Revolutionsliedes, überschritten sie