Full text: Allgemeine Erdkunde für höhere Lehranstalten

Die Wetterprognose. 
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zunächst eilt S.O.-Wind folgen, da wir zuerst an der n.ö. Seite des Mini- 
inums liegen, und wenn dieses dann dicht an unseren Küsten vorüberzieht, 
so wird sich jener gemeiniglich nach dem oben angeführten Drehungsgesetz 
allmählich wieder in einen S.W.-Wind verwandeln, und dieser muß der 
vorherrschende bleiben, da wir meist ein Minimum in n.w. Richtung von 
uns aus zu suchen haben. Der Wind liebt es, sich täglich mit der Sonne 
durch O., S., W. uach N. zu drehen. Eine befriedigende Erklärung dafür¬ 
steht noch aus. 
Damit die Voraussaguugeu größere Wahrscheinlichkeit gewinnen, ist 
es nötig, daß sie durch örtliche Beobachtungen ergänzt werden. Dazu 
gehören außer denjenigen über das Barometer, Thermometer und Hygro- 
meter besonders solche über die Wolkenbildung, die Neigung zur Ge- 
Witterbildung, die Wahrscheinlichkeit von Nachtfrösten u. dgl. Das sogenannte 
Wasserziehen der Sonne kündigt z. B. ziemlich bestimmt Regen an, 
gewaltige Ansammlungen von Haufenwolken im S.W., der Wetterecke, 
Gewitter, namentlich wenn der Himmel fönst mit den kleinen Eiscirri bedeckt 
ist, die sich dann in einer weißlichen Schicht um jene Wolken lagern und 
meist als Hagel unter heftigen elektrischen Entladungen niederfallen. In 
dieser Hinsicht haben auch die volkstümlichen Wetterregeln einigen Wert, 
weniger jedoch diejenigen über den Einfluß des Moudes, wie überhaupt 
der Einfluß der Himmelskörper auf die Witterung der Wissenschaft keines- 
wegs für gesichert gilt. 
Die Wetterprognose muß ein ganz anderes Aussehen gewinnen, wenn 
es gelingt, die Temperatur- und Druckverhältuisse des oberen Luftmeeres zu 
messen, und diesem Ziele nähern wir uns. Luftdruck und Temperatur 
hängen vor allem über den Ozeanen von.jenen hohen Schichten ab. Schon 
jetzt läßt sich sagen, daß die vielbeklagten Külterückfälle des Mai 
(bie drei gestrengen Herren) nicht an örtliche Erscheinungen der Erdober- 
fläche gebunden sind, sondern von den hohen Schichten abhängen. Die 
starken Fröste am 13. Mai 1895 waren das Erzeugnis eines Luftwirbels, 
der im W. einen kalten polaren Luftstrom nach W.-Europa lockte, hingegen 
auf der ö. Seite einen warmen S.-Strom nach O.-Europa. Andere Wetter- 
regeln dagegen haben sich bewährt. Am sichersten läßt sich in Mitteleuropa 
vom April auf den Oktober schließen, im W. mehr vom März auf den 
September. Die Sommermonate haben das bemerkbare Bestreben, dieselben 
Erscheinungen nach Ablauf eines vollen Jahres hervorzurufen. Es folgt 
in der Regel auf einen milden Winter ein warmer Sommer. Auch das 
Leben der Pflanzen wird zur Prognose herangezogen; so soll frühe Frucht- 
reife der Roßkastanie fast immer mit einem folgenden milden, späte dagegen 
mit einem strengen Winter zusammentreffen. Vieler Treffer darf sich die 
Theorie rühmen, die der größeren oder geringeren Häufigkeit von Eisbergen 
im n. Atlantischen Ozean einen merkbaren Einfluß auf die Witterung 
Europas zuschreibt, da das Auftauen dieser Eismassen viel Wärme verschlingt. 
— Große Verdienste um die Schiffahrt erwirbt sich die Wetterprognose 
durch die Sturmwarnungen. Wird das Minimum über dem Adriatischeu
	        
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