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und Grund; er bildet mit dem Brocken (der übrigens zum Gebiet der
Grafschaft Stolberg-Wernigerode gehört) den nordwestlichen Theil des
Harzes.
Als Kern stellt sich dem prüfenden Auge des Geognosten im Brocken
(mons bructerus) und den ihn umgebenden Bergen (dem sogenannten
Brockengebirge) wie in dem Rammberge und seinem Fuße der Granit
dm:, der theils in zusammenhängenden Massen, theils in zahllosen, die
Oberfläche der Berge bedeckenden Trümmern hervorbricht. An diesen
Kern, der selbst kein Erz enthält, schließt sich in südlicher, östlicher und
westlicher Richtung eine zweite Bergmasse, die aus mancherlei Gebirgs-
arten besteht, aber größtentheils doch zu einer und derselben Formation,
nämlich zur Grauwacke, gehört. Diese Bergmasse, älter noch als der
Granit, enthält die erzführenden Gänge, weßhalb man sie das harzische
Ganggebirge zu nennen pflegte. Auf die Basis dieser Grauwackensorma-
tion sind nun nach allen Richtungen größtentheils horizontal wellenförmig
über einander gesetzt und in bestimmter Ordnung verschiedene Lager,
welche ein sich weit ausdehnendes, viel jüngeres Flötzgebirge bilden, das
unter dem Namen des thüringischen oder des Kupserflötzgebirges sich als
Vorharz in einzelnen Gebirgszügen nach Thüringen, Hessen, Nieder-
sachsen bis Westphalen ausdehnt, wenn man sie auch jetzt nicht mehr
„Vorharz" nennt.
Fassen wir zunächst den Oberharz in's Auge, so ist dieser durch
eine gewisse Starrheit und Wildheit charakterisirt. Jene gewaltige
Naturrevolution, die von dem Scheitel des Blocksberges die Granitkrone
herabstürzte und in tausend und abertausend „Brocken" zertrümmerte,
die nun meilenweit an den Abhängen und in den Thälern zerstreut sind,
hat dem Oberharz ein ganz eigentümliches Gepräge verliehen, und in-
dem sie ihm ganz besondere Schönheiten — des Finstern und zugleich
Abenteuerlichen, Barocken und Phantastischen und wiederum großartig
Erhabenen verlieh, mußte sich gerade hier die Volkssage von der Wal-
purgisnacht und dem Hexentanz entwickeln. Da haben die Berggeister
ihre Teufelskanzeln und Hexenaltäre aufgethürmt, dort liegt Schierke,
dessen ärmliche Bewohner mit bleichen Gesichtern und dicken Hälsen selber
fast wie Gnomen ausschauen, umgeben von riesigen Granitblöcken, die
abenteuerlich mit Strauchwerk, Heidelbeerkraut und struppigen Tannen
bewachsen sind; dazwischen rauscht die kalte Bode durch's schauerlich
„enge tannendüstere Thal". Da liegen malerisch die Gruppen der Hohne-
klippen, an deren Fuße die trefflichen Milchkühe weiden und mit melo-
dischem Glockengeläut die einsame Wildniß beleben. Da liegt aber auch
das prächtige Thal der holden Emma, nach Wernigerode zu, in die Ebene
sich erstreckend. Zwar wild und schwer zugänglich, ist das Thal doch
eins der schönsten und nächst der Roßtrappe das Großartigste, was der
Harz aufzuweisen hat. In jähem Abfall braust jugendlich übermüthig
die Holzemme in ihrer „steinernen Renne", fast in lauter kleinen Wasser¬