Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (2)

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Das Zeitalter des Absolutismus. 
Nach Goethes Wort brachten Friedrich der Große und der Sieben¬ 
jährige Krieg der deutschen Dichtung den ersten wahren und höheren 
Lebensgehalt und riefen in Lessings „Minna von Barnhelm" das erste 
bürgerliche Schauspiel hervor. Friedrich aber war ein so großer Be¬ 
wunderer der französischen Literatur, daß er an der deutschen keinen 
Geschmack fand. Seine Abhandlung über die deutsche Literatur kennt 
nichts von Klopstock und Herder, Wieland, Lessing und dem jungen 
Goethe, „der mit seiner Rechten säst den vollen Kranz berührt", und 
das von Miller 1783 herausgegebene Nibelungenlied konnte ihm nur 
ein verachtendes Wort abnötigen. Friedrichs Interesse sür die Bau¬ 
kunst kündigen das Schloß Sanssouci mit seiner feinen Rokoko¬ 
dekoration, das Neue Palais in Potsdam, das Opernhaus, die Hedwigs¬ 
kirche und der alte Dom in Berlin. 
In der Kirchenpolitik zeigte Friedrich den Geist der Duldsam¬ 
keit: „Die Religionen Müsen alle Tollerieret werden und Mus der 
fiscal nuhr das auge darauf haben, das Keine der anderen abruch 
Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden." 
Den Freigeist Wolfs, den Friedrich Wilhelm I. verbannt hatte, rief 
der König zurück, und als Papst Klemens XIV. 1773 den Jesuitenorden 
aufhob, nahm Friedrich die Jesuiten in Schlesien in Schutz, da er sie 
für seine Schulen gebrauchte. Die Aufklärung prägte so den Gedanken 
des interkonfessionellen Staates allmählich aus. 
* 
Friedrichs gesamte äußere und innere Politik steht im Zeichen 
des aufgeklärten Absolutismus? dessen typischer Vertreter der große 
König ist. Seine geschichtliche Bedeutung, die darin besteht, daß er 
es verstand, die Summe der Ideen seiner Zeit zusammenzufassen und 
die große historische Entwicklungsreihe des Absolutismus zum Abschluß 
zu bringen, stellt ihn Alexander dem Großen, Cäsar, Karl dem Großen 
und Napoleon an die Seite. 
Wenn aber Friedrich auch an erster Stelle der König war (s. o.), 
der sich in schrankenloser Leidenschaft an seinen Staat hingab, dessen 
erster Diener er sein wollte, so war er doch nicht minder auch ein 
bedeutender Mensch, und die Geschichtschreiber waren oft zweifel¬ 
haft, ob sie an Friedrich mehr das Königtum oder das Menschentum 
bewundern sollten. 
Nach dem zweiten Schlesischen Kriege steht der König auf der 
Höhe seines Lebens, innerlich gereift und abgeklärt, fertig und geschlossen 
1 Vgl. Prutz, Friedrich der Große und seine Zeit. Dürrs Deutsche Biblio¬ 
thek Bd. XIIIB. Nr. 38.
	        
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