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alles zu sagen, was sein Wille wäre, und ohne Angst zu sein.
tol“ dich wohl," sagte er, „mit meinen Listen vor ihr behüten."
Da sprach Günther: „Hehre Königin, erteilt mir, was ihr wollt, ich
will es alles um eurer Liebe willen bestehen." Als Brunhild diese
Jicbe vernahm, befahl sie, daß man ihr sogleich ihr Streitgewanb
einen festen Panzer unb einen guten Schilb'brächte.
Unterb es war Sigftib unbemerkt nach bem Schiffe gegangen
unb m die Tarnkappe geschlüpft; da konnte ihn niemand sehen, als
er wieder zurückkehrte.
Schon war der Kreis gezogen, wo das Spiel stattfinden sollte,
jit glanzender Rüstung stand Brunhild da. Die Diener trugen
ihren ungefügen Wurfspieß herbei, den sie stets zu verschießen pflegte
und der zwei Schneiden von scharfem Stahl hatte. Dann ward auch
ein Wurfstein zu bem Kreise gebracht, so schwer, baß zwölf Helben
ihn kaum trugen. Brunhüb wanb sich bie Ärmel aus an den
weißen Armen, faßte den Schild mit der Hand, schwang den Ger
in die Höhe und der Streit begann. — Die Burgunben empfanden
große Sorge um ihren König. Und sicher wäre er' verloren gewesen,
wenn nicht Sigfrid ihm zu Hülfe gekommen wäre. Unsichtbar
trat dieser hinter den bebenden König, ergriff dessen Hand und sprach
heimlich zu ihm: „Gib mir den Schild von deiner Hanb unb laß
mich statt beiner alles thun, was hier zu thun ist; mache bu nur
bie nötigen Gebärden." Etwas Lieberes hatte Günther noch nie mit
seinen Ohren gehört.
Nun schoß Brunhild mit großen Kräften den Speer auf den
schilb, den Sigfrid trugdaß das Feuer vom Stahle sprang und
bic_ schneide des starken Spießes den ganzen Schild durchdrang, so
baß auch aus bem Panzer bie hellen Funken flogen unb beibe Helben
strauchelten.^ Ohne bie Tarnkappe wären sie bes Tobes gewesen.
Aber balb stanb Sigftib wieber fest, riß Bmnhilbens Speer aus
dem Schübranb unb warf ihn mit aller Kraft auf sie zurück. Da
stoben auch von ihrem Panzer bie Funken; unb so stark war der
Schuß, baß ]ie ihm nicht widerstehen konnte, sonbern zu Boden fiel.
Schnell aber sprang sie wieder auf die Füße und sprach: „Hab Dank
für ben Schuß, ebler Ritter Günther." Mit zornigem Mut eilte sie
nach dem Steine, ergriff ihn und schleuderte ihn mit gewaltigem Arm
zwölf Klafter weit fort. Dann sprang sie mit fliegendem Kriegs¬
sprung ihm nach und über ihn hinaus, baß laut ihr Eisen gewand
erklang. Jetzt war es an Günther, auch ben Stein zu werfen.
Er nahm ihn in bie Hanb, Sigftib aber warf ihn, unb zwar weit
über bas Ziel ber Jungfrau hinweg. Dann sprang er mit über¬
menschlichen Kräften ihm nach unb trug in bem Sprunge noch bazu
ben König Günther mit fort. Als Brunhilb Günther wohlbehalten
am Enbe bes Kreises sah, sprach sie laut zu ihrem Gefolge: „Kommt
heran, ihr Mannen unb Freunbe, ihr sollt bem König Günther alle
Unterthan werben." Da legten alle bie kühnen Helben ihre Waffen
ab unb knieten hulbigenb vor bem Könige nieber. Er aber grüßte
sie freundlich. Da nahm ihn Brunhilb bei ber Hanb unb erlaubte ihm,
in ihrem ganzen Lande zu gebieten. Dann gingen sie in ben Palast.