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geführt, wie etwa die Gegenwart von Fremden, denen man eine Ehre 
anthun zu müssen glaubt. Sonst führt der Londoner seinen Freund lieber 
in eine Taverne, als daß er ihn bei sich aufnimmt; dort, tête-à-tête, 
oder in einem größern, doch immer geschlossenen Zirkel, thun sie sich bei 
Wein. Politik und lustigen Gesprächen gütlich. Zu Hause ängstigt sie die 
Gegenwart der Frauen, denen man zwar die größte Hochachtung im 
Aeußern erweist, aber ihnen auch, wie allen Respectspersonen, eben des¬ 
halb so viel als möglich aus dem Weg geht. 
Doch wieder zu unserm Diner. In dem Besuchszimmer finden wir 
die Gesellschaft versammelt; es faßt höchstens 12—14 Personen. Nach 
den herkömmlichen Begrüßungsformeln nehmen die Damen zu beiden Sei¬ 
ten des Kamins in Lehnstühlen Platz, die Herren wärmen sich am Feuer, 
und nicht immer auf die schicklichste Weise. Schläfrig, einsilbig, langsam 
wankt die Conversation zwischen Leben und Sterben, bis endlich der will¬ 
kommene Ruf ins Speisezimmer ertönt. Dieses liegt oft eine Treppe 
höher oder niedriger als das Besuchszimmer, weil, wie wir schon früher 
bemerkten, die Wohnungen, selbst sehr reicher Leute, nichts weniger als 
geräumig und bequem sind. 
Die Tafel steht fertig und servirt da, bis auf Gläser und Servietten. 
Erstere zieren den Schenktisch, letztere findet inan nur in Häusern, welche 
aus fremde Sitten Anspruch machen, und deren giebt's nicht viele. Das 
Tischtuch hängt bis auf den Erdboden herab, und Jedermann nimmt es 
beinl Niedersetzen aufs Knie und handhabt es, wie bei uns die Serviette. 
Die Dame vom Hause thront in einem Lehnstuhl am obern Ende der Tafel, 
ihr Gemahl sitzt ihr gegenüber unten am Tisch, die Gäste nehmen auf ge¬ 
wöhnlichen Stühlen zu beiden Seiten Platz, so viel als möglich in bunter 
Reihe, nach der Ordnung, die ihnen vom Herrn des Hauses vorgeschrie¬ 
ben wird. Alle Gerichte, welche zum ersten Gang gehören, stehen aus 
der Tafel. 
Die englische Kochkunst hat auch in Deutschland ihre Verehrer, wir 
gehören aber nicht dazu. Uns graute vor dem blutigen Fleisch*), vor den 
ohne alles Salz zubereiteten Fischen, vor dem im Wasser halb gar ge¬ 
kochten Gemüse, den Hasen und Rebhühnern, die, wie alle anderen Bra¬ 
ten, ungespickt, ohne alle Butter, blos in ihrer eigenen Brühe zubereitet 
werden. 
Die Dame servirt die reichlich mit Cayennepfeffer gewürzte, übrigens 
ziemlich dünne Suppe, nachdem sie jeden Tischgenoffen namentlich befragt 
hat, ob' er welche verlange. Des Fragens von Seiten der Wirthe und 
des Antwortens von Seilen der Gäste ist an einem englischen Tische kein 
Ende. Eine große Verlegenheit für den fremden Gast, der, wenn er auch 
der englischen Sprache sonst ziemlich mächtig ist, dennoch unmöglich alle 
*) Andere Reisende können wieder nicht genug das mürbe, saftige Fleisch des 
Bratens rühmen, das auch in England, wo die Biehmast in so hohem Flor steht, 
erklärlich ist.
	        
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