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öffentliche Unterhaltung geben, und die Stiergefechte stehen darin obenan.
Damit werden zwei Zwecke erreicht; die Regierung sichert sich die Anhäng¬
lichkeit, wenn auch nicht die Liebe des Publicums, und lenkt zugleich die
Aufmerksamkeit von der politischen Schaubühne ab, was in einem Lande,
wie Peru, welches fortwährend durch Revolution von einem irre geleiteten
Pöbel und einem ehr- und pflichtvergessenen Militär zerfleischt wird, von
höchster Bedeutung ist.
Wohl könnte eine weise Regierung darauf achten, daß bei den Stier¬
gefechten, wenn sie doch als nothwendiges Uebel beibehalten werden sollen,
mehr Vorsicht und Menschlichkeit gebraucht würde; und Eltern, denen es
daran gelegen ist, nicht den Keim der Rohheit von frühester Jugend an
ihren Kindern einzupflanzen, sollten dieselben von einem Schauspiele zurück¬
halten, das jedes edlere Gefühl verletzt und am Ende vernichtet.
10. Eine Winlerreise über die Cordilleras de los Andes
von Catamarka nach Cobija.
Von I. I. von Tschudi.
Ich habe schon im dritten Bändchen meines „Taschenbuchs der Rei¬
sen" (Leipzig 1859) eine kurze Skizze des merkwürdigen Andenübergangs
zur Winterszeit, dieses Heldenstücks des berühmten Reisenden, nach den
seiner Zeit in den Beilagen der A. A. Zeitung veröffentlichten Briefen
gegeben. Run, da das ganze, die zweite große Reise Tschudi's in Süd¬
amerika behandelnde, Werk vorliegt und der fünfte Band desselben*) die
ausführlichere Schilderung der „Reise von Catamarka über die
Cordillera und durch die Wüste vonAtacamanach Cobija"
bringt, können manche interessante Einzelheiten derselben mitgetheilt werden.
Der werthe Leser wolle eine Karte von Südamerika zur Hand
nehmen. Von Buenos Ayres in nordwestlicher Richtung aufwärts stei¬
gend gelangt er mit seinem Blick über Cordova nach Catamarka, einer
Provinz-Hauptstadt der Laplata-Staaten in der Nähe des mächtigen
Andengebirges. Von hier aus begann Herr v. Tschudi seine gefahrvolle
Winterreise. Es war im Juli des Jahres 1858. Auf der südlichen
Halbkugel in der Breite des Wendekreises rechnet man vom Mai bis
September die Winterzeit, welche in den niederen Landstrichen Regen, auf
den höheren Bergketten aber Schnee und empfindliche Kälte bringt. Um
nach Cobija, im Südwestzipfel des Staates Bolivia an der Küste des
Stillen Weltmeeres gelegen, zu gelangen, wählte Herr v. Tschudi den Weg
von Molinas aus über die Cordilleras von Puntas negras („die schwarzen
*) Reisen durch Südamerika von I. I. v. Tschudi, Leipzig bei Fr. Brockhaus.
5 Bände. 1866-69.