fullscreen: Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptvertretern

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Nun geh und tu, wie ich es dir befahl. 
Bring das Geschenk, das Feind dem Feinde 
sendet! 
(Eine Sklavin kommt mit den Kindern.) 
Sklavin. Die Kinder schickt mein könig¬ 
licher Lerr, 
Nach einer Stunde hol' ich sie zurück. 
M. Sie kehren früh genug zum Lochzeits- 
schmaus. 
Geleite diese hier zu deiner Fürstin; 
Mit Botschaft geht sie, mit Geschenk von mir. — 
Du aber denke, was ich dir befahl! 
Sprich nicht! ich will's! — Geleite sie zur 
Lerrin! 
(Gora und die Sklavin ab.) 
Begonnen ist's, doch noch vollendet nicht. 
Leicht ist mir, seit mir deutlich, was ich will. 
(Die Kinder Land in Land wollen der Sklavin folgen.) 
Wohin? 
D. ältere Knabe. Ins Laus! 
M. Was sucht ihr drin im Laus? 
D. ä. Knabe. Der Vater hieß uns folgen 
jener dort. 
M. Die Mutter aber heißt euch bleiben. 
Bleibt! 
Wenn ich bedenk', daß es mein eigen Blut, 
Daß es mein Selbst, das sich gen mich empört, 
So zieht der Grimm mir schneidend durch 
das Innre, 
And Blutgedanken bäumen sich empor. — 
Was hat denn eure Mutter euch getan, 
Daß ihr sie flieht, euch Fremden wendet zu? 
D. ä. Knabe. Du willst uns wieder führen 
auf dein Schiff, 
Wo's schwindlicht ist und schwül. Wir bleiben 
da. 
Gelt, Bruder? 
Der Kleine. Ja! 
M. Auch du, Absyrtus, du? 
Allein es ist so besser, besser ganz! 
Kommt her zu mir! 
D. ä. Knabe. Ich fürchte mich. 
M. Kommt her! 
D. ä. Knabe. Tust du mir nichts? 
M. Glaubst? hättest du's verdient? 
D. ä. Knabe. Einst warfst mich auf den 
Boden, weil dem Vater 
Ich ähnlich bin, allein er liebt mich drum. 
Ich bleib' bei ihm und bei der guten Frau! 
M. Du sollst zu ihr, zu deiner guten 
Frau! — 
Wie er ihm ähnlich sieht, ihm, dem Verräter; 
Wie er ihm ähnlich spricht! Geduld! Geduld! 
D. Kleine. Mich schläfert. 
D. Ältere. Laß uns schlafen gehn, 's ist spät. 
M. Ihr werdet schlafen noch euch zu 
Genügen. 
Geht hin dort an die Stufen, lagert euch. 
Indes ich mich berate mit mir selbst. — 
— Wie er den Bruder sorgsam hingeleitet, 
Das Oberkleid sich abzieht und dem Kleinen 
Es warm umhüllend um die Schulter legt 
And nun, die kleinen Arme dicht verschlungen, 
Sich hinlegt neben ihm! — Schlimm war er 
nie. — 
O Kinder! Kinder! 
(Knabe, sich emporrichtend.) 
Knabe. Willst du etwas? 
M. Schlaf nur! 
Was gäb' ich, könnt' ich schlafen, so wie du! 
(Der Knabe legt sich und schläft. Medea setzt sich 
gegenüber auf eine Ruhebank. Es ist nach und nach 
finster geworden.) 
Die Nacht bricht ein, die Sterne steigen aus. 
Mit mildem, sanftem Licht herunterscheinend; 
Dieselben heute, die sie gestern waren. 
Als wäre alles heut, wie's gestern war: 
Indes dazwischen doch so weite Kluft, 
Als zwischen Glück befestigt und Verderben! 
So wandellos, sich gleich, ist die Natur, 
So wandelbar der Mensch und sein Geschick. 
Wenn ich das Märchen meines Lebens mir 
erzähle. 
Dünkt mir, ein andrer spräch', ich hörte zu. 
Ihn unterbrechend: Freund, das kann nicht 
sein! 
Dieselbe, der du Mordgedanken leihst. 
Läßt du sie wandeln in dem Land der Väter, 
Von eben dieser Sterne Schein beleuchtet. 
So rein, so mild, so aller Schuld entblößt. 
Als nur ein Kind am Busen seiner Mutier? 
Wo geht sie hin? Sie sucht des Armen Lütte, 
Dem ihres Vaters Jagd die Saat zerstampft, 
And bringt ihm Gold und tröstet den Betrübten. 
Was sucht sie Waldespfade? Ei, sie eilt 
Dem Bruder nach, der ihrer harrt im Forst; 
And nun, gefunden, wie zwei Zwillingssterne 
Durchzieh» sie strahlend die gewohnte Bahn. 
Ein andrer naht, die Stirn mit Gold gekrönt: 
Es ist ihr Vater, ist des Landes König.
	        
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