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Hunden den Hecht, Barsch, Kaulbarsch, die Plötze — Fische, die nicht 
wandern. Nicht selten fühlt der Barsch, wenn er kaum aus dem Wasser 
gezogen ist, schon die Zähne seines Fängers. Denn für einen hungrigen 
ostjakischen Magen würde das Kochen noch zu lange dauern. 
Im Frühjahr, wenn der Ob und seine Nebenflüsse ihre Eisbanden 
sprengen und die Ufer weit überfluthen, ist zunächst noch gar nicht an's 
Fischen zu denken. Ist das Wasser ungewöhnlich hoch, so sehen sich viele 
Familien gezwungen, ihre Wohnstätte zu verlassen und in öde Wälder 
zu flüchten, wo nur wenige Hasen ihnen eine spärliche Nahrung gewäh¬ 
ren — und während dieser ganzen Hungerzeit wimmeln die Gewässer 
von Fischen. 
Endlich erheben sich die niedrigen Sandufer über die Wasserfläche, 
und nun errichtet der Ostjake seine Sommer-Jurte in der Nähe des in 
sein Bett zurückgezogenen Flusses. Sie hat gewöhnlich eine viereckige Form, 
niedrige Wände und ein hohes, spitziges Dach, dessen Gerippe aus Weiden¬ 
stämmen besteht, über welches mit biegsamen Weidenreisern Borkenscheiben 
angebunden sind. Diese werden erst durch Kochen erweicht und in die 
Form gewöhnlicher Teppiche zusammengenäht, so daß man sie leicht zu¬ 
sammenrollen und transportiren kann. Die Feuerstätte, eine mit Steinen 
umgebene Grube, liegt in der Mitte, und der Rauch geht durch ein Loch 
im Dach. Um die meisten Jurten trifft man außerdem noch kleine Ver- 
wahrungshäusex von Balken gezimmert und auf hohen Pfählen aufgestellt, 
wie in Lappland; denn es gilt, die Vorräthe gegen den Vielfraß, den 
Wolf und die eigenen Hunde zu sichern. 
Obgleich der Ob und seine Nebenflüsse — der Jrtysch, der Wach, der 
Wasjugan — den Ostjaken ihre Gaben in reichlichem Maße spenden, so 
sind doch diejenigen unter ihnen, welche blos vom Fischfang leben, in die 
größte Armuth versunken, die meist mit Faulheit, Trunksucht und sittlicher 
Verderbniß vereinigt ist. Die pfiffigen, russischen Colonisten haben sie ganz 
in ihre Gewalt bekommen, indem sie ihnen die unentbehrlichsten Lebens¬ 
bedürfnisse auf Credit geben und somit ihre Schuldenlast von Jahr zu Jahr 
steigern, da die Arbeitslust der Verschuldeten durchaus nicht zunimmt. Für 
ein Quantum Roggenmehl verpflichtet sich der Ostjake dem russischen Kauf¬ 
mann, im folgenden Jahre so und so viel Fische zu liefern. Den ganzen 
Sommer treiben sich diese russischen Speculanten aus Obdorsk, Beresow 
und Tobolsk in ihren Lodjen auf dem Ob umher, eignen sich den Fang 
der Ostjaken zu und salzen selbst die erhaltenen Störe und Lachse ein, 
welche sie bis auf Weiteres in ihren, an den Ufern des Flusses erbauten 
Magazinen aufbewahren. Bei Eintritt des Herbstes kehren sie, nachdem sie 
das mitgebrachte Mehl niit großem Nutzen verkauft haben, reich mit Fischen 
beladen wieder heim. Andere treiben selbst Fischfang im Ob, und zwar 
mit besserem Erfolg als die Ostjaken, weil sie über weit größere Geräth- 
schaften und mehr Leute verfügen können. Den Ostjaken ist zwar von der 
Regierung alles Land am untern Ob und Jrtysch zuerkannt worden, aber
	        
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