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die Russen wissen chnen doch die besten Stellen abzupachten; hier wie 
überall zieht Unwissenheit und Dummheit den Kürzeren. 
Nachdem die Russen den Ob verlassen, fahren die Ostsaken noch mit 
ihrem Sommerfischfang fort. Einen Theil der erbeuteten Fische setzen sie in 
Landseen oder Teiche, von wo sie später mit Netzen herausgeholt und dem 
Frost ausgesetzt werden. Bei der Ankunft des Winters stellen sich wiederum 
Russen ein, um die gefrorenen Fische einzukaufen, von welchen jedoch auch 
ein Theil von den Ostjaken selbst aus den Markt zu Obdorsk gebracht wird. 
Ehe der kalte Frost am Ob entschieden die Oberhand gewinnt, ist Wet¬ 
ter und Gegend fürchterlich. Der Regen gießt in Strömen, die Winde des 
Eismeeres heulen mit dem Wolf um die Wette, nächtliche Nebel umhüllen 
die Luft, Regenbäche brausen auf den erweichten Boden. Dann giebt es 
Nächte, von welchen die sibirischen Wilden erzählen, daß die Verstorbenen 
in ihren Gräbern keine Ruhe finden, und wo die blutdürstigen Geister der 
Schamanen um die Lager der Menschen schweben, Verderben sinnend. 
Der Ostjake muß seine lustige Sommerwohnung verlassen, er zieht 
sich in die Wälder zurück, wo zugleich die Jagd der Pelzthiere anlockt. 
Doch er braucht auch im Winter Nahrung, und von Zobeln und Eich¬ 
hörnchen kann er keine Mahlzeiten halten. Darum wählt er zu seinem 
Wohnsitz gewöhnlich einen höheren, vor Ueberschwemmungen geschützten 
Ort in der Nähe eines kleinen Nebenflusses, wo er unter dein Eise mit 
Reusen, Netzen und Angelhaken seine dürftige Nahrung erbeutet. 
Die Winterjurte ist von einer etwas festeren Bauart, als die Sommer¬ 
wohnung, da sie nicht wie diese mit jedem Jahre neu entsteht und vergeht; 
doch ist sie immer noch elend genug. Man denke sich eine kleine, sehr niedrige 
Erdhütte mit einem offenen, aus Lehm gemachten Herd im Winkel. Als Fen¬ 
ster dient ein Loch in der Wand oder im Dache, das mit einem Eisstück den 
Winter über geschlossen wird. In den besserenJurten ist derRaum längs einer 
oder mehrerer Wände mit geflochtenen Rohrmatten behängen und dort ist die 
Schlasstätte. Zuweilen findet man vor dem Eingänge in die Jurte eine kleine 
Vorhalle, die zur Aufbewahrung von Kleidungsstücken und Hausgeräth dient. 
Jedes Geschlecht besitzt seit uralten Zeiten seine eigenen Götterbilder, 
die oft in einer besonderen Jurte aufbewahrt werden und von sämmtlichen, 
zu dem Geschlecht gehörenden Gliedern durch Opfer und andere Ceremonien 
verehrt werden. Diese Götter-Jurten stehen unter der Aufsicht eines Scha¬ 
manen, der ein hohes Ansehen genießt. Außerdem hat mancher Ostjake noch 
seine besonderen Schutzgötter, deren Bilder ihn auf seinen Wanderungen 
begleiten. Sie werden, wie bei den Samojeden, in besonderen Schlitten 
verwahrt und sind mit Ostjakenanzügen bekleidet, nüt rochen Bändern 
und anderem Schmuck geziert. Will man sie günstig stimmen, so bedenkt 
man sie mit einem Opfer; dies besteht darin, daß man ihre Lippen mit 
Fischthran oder dem Blut des zu ihrer Ehre geschlachteten Thieres bestreicht 
und ihnen eine Schüssel mit Fischen oder Fleisch vorsetzt.
	        
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