fullscreen: Die Neuere Geschichte (Cursus 3, Abth. 2)

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Polignac stand, glaubte der König die Ausführung seiner Plane 
und seine und seiner Familie Geschicke anvertrauen zu dürfen. 
Die im März 1830 wieder berufene Deputirtenkammer erklärte 
indeß offen in einer an den König gerichteten Adresse, für welche 
die Mehrheit von 221 Deputirten gestimmt hatte, daß ein Zu¬ 
sammenwirken der Vertreter des Volkes mit dieser Verwaltung, 
die gerechtes Mißtrauen errege, unmöglich sei. Die Folge war, 
daß man (am 16. Mai) nochmals eine Auflösung der Deputirten¬ 
kammer versuchte. 
2) Unterdessen hatte man eine Heerfahrt unter dem bei der 
Armee verachteten Kriegsminister Bourmont nach Algier berei¬ 
tet, da der dortige französische Cónsul von dem Dey schwer 
beleidigt worden war. Die Franzosen schlugen die Beduinen und 
eroberten Algier (5. Zul.); der Dey wurde nach Frankreich 
gebracht., und das Land in eine französische Colonie umgewan¬ 
delt. Übrigens übte diese glückliche Waffenthat keinen Einfluß 
auf die Stimmung des französischen Volkes, wie man berechnet 
hatte. Die 221 Deputirten wurden wieder gewählt, und ihre 
Opposition noch durch neue Mitglieder verstärkt. 
3) In dieser Lage entschloß sich Karl X., von einer ultra- 
royalistischen Faktion berathen, zu dem verhängnißvollen Schritte, 
der ihm und seiner Familie den Thron kosten, für Frankreich aber 
und den größten Theil des übrigen Europa der Anfang einer 
Reihe von erschütternden Bewegungen, aber auch von erfreulichern 
Entwickelungen werden sollte. Er erließ drei Ordonnanzen 
(25. Jul. 1830), durch welche die noch nicht versammelte Depu¬ 
tirtenkammer wieder aufgelöst, eine neue Wahlordnung vorge¬ 
schrieben und die Freiheit der Presse aufgehoben wurde. 
Gegen diese verfassungswidrigen Angriffe auf die Rechte und 
Freiheiten der Nation erhob sich das Volk von Paris und besiegte 
in dreitägigem blutigem Kampfe (27.-29. Juli) den Marschall 
Marmont, dem der König die Vertheidigung seiner Sache an¬ 
vertraut „hatte. 
4) Übrigens bewies man nach dem Siege große Mäßigung. 
Während ein Theil die Herstellung der Republik wollte, bewirkte 
Lafayette, der sich an die Spitze der sofort wieder errichteten 
Nationalgarde stellte, Lafitte und andere in Paris anwesende 
Deputirte, daß der Herzog von Orleans als Generalstatt- 
Halter des Königreichs die Leitung der Negierung erhielt (31. 
Juli). Vergebens hatte Karl X. noch während des Kampfes 
seine Ordonnanzen zurückgenommcn und das Ministerium entlassen. 
Jetzt entschloß er sich nebst seinem Sohne, dem Dauphin, zu 
Gunsten des noch unmündigen Herzogs von Bourdeau (Hein¬ 
rich V.) abzudanken (2. Aug.) und den Herzog von Orleans 
als Reichsverweser anzuerkennen. Aber des Vertrauen auf 
die Bourbonen älterer Linie war dahin; Karl mußte mit seiner
	        
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