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als wollte sie der hier gelegenen flachen, wüsten Insel mit der Ruine
jener alten viereckigen Warte, die unter dem Namen des Mäusethurms
bekannt ist, die rechte Beleuchtung geben.
Nicht lange, und ich landete unter dem Felsen der auf dem linken
Rheinufer liegenden kleinen Beste Rheinstein, welche Prinz Friedrich von
Preußen zu moderner Wohnlichkeit aus altem wüsten Gemäuer sich hat
herstellen lassen. Der Geschmack altritterlicher Burgen mußte besonders
am Rhein beliebt werden, wo so viel Geschichtliches aus deutscher ver-
gangener Herrlichkeit sich zusammendrängt. Ueber schmale Fallbrücken und
unter spitzigen Fallgattern hindurch gelangte ich in den halb in Felsen ein-
gehauenen Burghof, stieg dann über manche Freitreppe und eine außen
am Thurme schwindelnd sich herumwindende Wendeltreppe. Ueber zackige,
freistehende Klippen wachsen breite Gehänge der Waldrebe, ein Adler wohnt
da im Eisenbauer am Thurme, von welchem die lange preußische Flagge
herabweht, und prächtig breiten sich Strom und Ufer mit dem gegenüber-
liegenden Aßmannshausen vor dem Blick des Beschauenden aus.
Ich fuhr nach dem durch seinen trefflichen rothen Wein berühmten
Aßmannshausen hinüber und stieg alsbald zum Niederwald hinan, wohin
der Wirth von Rüdesheim egoistisch-fürsorglich einen Knaben mit elegantem
Reitesel zur Erleichterung des Bergsteigens vorausgesendet hatte. Die
Thalschlucht hinter Aßmannshausen hinauf ist wirklich sehr anmuthig und
man genießt köstlicher Rückblicke auf den Ort selbst und seine alte Kirche,
auf den Rhein und nach den jenseitigen bewaldeten Uferbergen. Als ich
dann noch höher hinauf, mehr der wieder hervorbrechenden heißen Sonne
wegen, als des Berges halber, wirklich zu Esel gestiegen war und so durch's
Gebüsch und niedere Waldung hinaufritt, knüpfte ich mit meinem kleinen
Eseltreiber ein Gespräch an und fragte ihn unter Anderm, wie er vom
Schloß Rheinstein erzählte: „Habt ihr denn auch hier am Rhein jetzt die
Preußen recht lieb?" Da sah mich der Junge wie um der verfänglichen
Frage willen ganz bedenklich an und sagte dann: „I! die Preußen haben
wir ja wohl lieb, aber wenn sie mit dem Esel über den Niederwald reiten,
da bezahlen sie immer so schlecht!" — Ich mußte lachen und trieb mein
gutes Thier bequem noch bis zu den alten Gebäuden des Schlosses von
Niederwald hinauf, wo ich den Esel entließ, während mir sein kleiner
Meister ein hell und vielmal sich wiederholendes Echo dieser Stelle be-
merklich machte.
Wichtiger als dieser Wiederhall war mir der besondere Charakter der
Waldung auf dem Kamm dieser Rheinberge. Der fast graslose, mit
wenig Moos bedeckte Boden ohne alles Untergehölz, die 2 bis 3 Fuß im
Durchmesser haltenden Eichen und Rothbuchen mit ihren einfachen, ge-
drängten, vielgewundenen, oft abgeschälten Aesten und dichtem, buschigem,
in einzelnen Massen zusammengedrängtem Laube, dazwischen auch Birken
und Kiefern, Alles aber mit dem eigentümlichen, auf felsigen Boden und