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europäische Mittelmeer). Die Gehäuse der Ozeane bilden die umfang-
reichsten ^ und tiefsten ^ Einrenkungen der Oberfläche des festen Erdkörpers;
man schätzt ihre mittlere Tiefe auf etwa 3.$ km unter dem Meeresspiegel.
Sie sind entstanden durch Einsturz ^ der starren, aus Felsmasse be-
stehenden Außenseite der Erdkugel bei deren allmählicher Abkühlung,
mit welcher eine (nicht überall gleich starke) Zusammenziehung verbunden
war. Vor Flachküsten senkt sich der Meeresboden sehr sanft, vor Steil-
küsten rascher zur Tiefe; er besitzt durchweg ein eintöniges Relief, denn
seine Erhebungen sind fast überall von flachster Böschung ^ und meist nur
plattenartig, einige aber dabei von beträchtlicher Höhe und gewaltiger
Ausdehnung. So setzt sich die unterseeische Hochfläche, die Europa mit
Grönland und dem nördlichsten Amerika überhaupt verbrückt, mitten
durch das so viel tiefere nordatlantifche Becken als „Delphin-Rücken"
fort über die Azoren bis zur Küste Südamerikas bei der Amazonas-
mündnng, von wo ein ähnlich schmaler Hochrücken wie ein Winkelhaken
ins südatlantische Becken verläuft, erst der Ober-, dann der Niederguinea-
küste parallel, gen S. an den untiefen Boden des antarktischen Meeres
anschließend. Die größten Meerestiefen (über 5000 m) befinden sich in
den drei großen Ozeanen nicht in der Mitte, sondern mehr nach dem
Rand hin: in dem vom Delphin-Rücken eingehegten NW.-Becken des
atlantischen Meeres s. von Neufundland sowie n. der kleinen Antillen, im
indischen Weltmeer zwischen NW.-Australien und den Sunda-Juseln, im
pacisischen ö. von Jeso und im NO. von Neuseeland, wo man jüngst
die größte bis jetzt bekannte Tiefe von 9400 m gelotet hat.
Bedeckt ist der Meeresboden mit rötlichen oder grauen Thonen und
mit Schlamm, teilweise von den Sinkstoffen 5 der Landgewässer her¬
rührend, teilweise durch Milliarden meist kalkiger Gehäuse winzigster
Schleimtiere gebildet oder aus vulkanischer Asche zusammengesetzt, die
durch den Wind bisweilen weit über die Meeresflächen vertragen wird
und schließlich ins Meer sinkt.
Erst die siebziger Jahre unseres Jahrhunderts verschafften uns deut-
lichere Begriffe von der Beschaffenheit der Tiefsee durch die hierzu ausge-
sandten mehrjährigen Expeditionen dreier Schiffe: des englischen Ehal-
lenger^, der nordamerikanischen Tusearora und der deutschen Gazelle.7
Die Entdeckung der im weitesten Umfang fortdauernden Bildung von
Meeresschichten unter Mitwirkung zahlloser, fast stets nur mikroskopisch
erkennbarer Gehäuse abgestorbener Seetiere, besonders Foraminiseren, ist
erdgeschichtlich von hohem Wert: man belauscht somit jetzt noch Vorgänge,
wie sie in entlegenen Zeitfernen, z. B. in der Kreide- und Tertiärzeit, die
Erde weitergestalten halfen (Schreibkreide besteht fast ganz aus Foramini-
feren). Am wenigsten bekannt ist uns noch das südliche Eismeer; wir
* I, 46. 2 S. 92 (§ 4). 3 Vergl. S. 5 und 132 (oben). 4 I, 14.
6 I, ©. 8 (21).
e Das englische Wort ehallenger [tjcf)a(enbicher] bedeutet Herausforderer.
7 S. 250 Anm. 5.