Syrien. — Palästina.
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4) Syrien, ein schmales Kalkhochland zwischen dem Meere und der syrisch¬
arabischen Wüste, vom Golfe von Alexandretta, in den der Finger Cyperns
weist, bis an die Landenge von Snes. Parallel mit dem schmalen Küsten¬
saume ziehen der Libanon (d. h. Weißes Gebirge) und der Antilibanon,
mit dem 2760 m hohen, kuppelförmigen Hermon. Die sonnenglühende Spalte
zwischen beiden, die Bekaast setzt sich im S. als Ghör bis ans Tote Meer
und noch darüber hinaus fort. In ihr laufen nach N. der Oröntes, nach S.
der Litäni (Imonteg) und der Jordan. Die Plage des Libanons, die Drusen,
wahrscheinlich ein Rest der vorsemitischen Bevölkerung, zählen nur noch etwa
130 000 Köpfe und sind jetzt ziemlich beruhigt.
Am Fuße des Libanons wachsen Dattelpalmen, Bananen, Sykomoren, darüber
Oliven, Feigen, Maulbeerbäume, endlich Gerste- Der Wald ist fast vernichtet, nicht zum
wenigsten durch die Ziegen; auf dem Hermon und anderen Gipfeln lagert Schnee. So
kann der Araber vom L. sagen: „Auf seinem Haupte ruht der Winter, der Frühling spielt
um seine Schultern, und zu seinen Füßen weilt der Sommer." Unfern Tripolis (Tarä-
bulus), nahe 35 N, werden noch drei uralte Bestände von Zedern geschützt, deren höchste
25 m bei 141 m Stammesumfang in Brusthöhe erreichen. Die ältesten Stämme werden
auf 3000 Jahre geschätzt. — Das trockne,Klima hat eine Reihe von denkwürdigen Stätten
des Altertums und des Mittelalters fast in ihrer ursprünglichen Schönheit erhalten, am
besten den Sonnentempel von Heliöpolis aus,der hellenistischen Zeit, heute Baalbek, in
Coelesyrien unfern der Litäni-Quelle, und die Überreste von Palmyra (unfern 38° v. Gr.),
dem Sitze der Königin Zenöbia, in einer Oase der Wüste. Innerhalb des großartigen
Sonnentempels liegt heute das elende Dorf Tüdmur.
Antäkie, am unteren Orontes, früher als Antiochia mit 700 000 E. Hauptstadt der
Seleukiden. Wie schon öfter, so 1872 durch Erdbeben gänzlich zerstört; aber die
sonst günstig gelegene Stadt zählt doch schon wieder 24 000 E.
Hä leb (Aleppo), vor dem verheerenden Erdbeben im Jahre 1822 und auch jetzt wieder
eine der blühendsten Städte des türkischen Reiches (125), lebhafter Handels- und
Manufakturplatz mit 100 Moscheen.
Damaskus (140), gleichsam schwimmend in einem Meere der köstlichsten Gärten, die
durch die Gewässer des vom Antilibanon kommenden Bärada in zahlreichen Kanälen
gespeist werden; auf der einen Seite überragt von den zu Alpenhöhe aufsteigenden
Bergen, auf der andern, jenseits der 6 großen, blauen „Wiesenseen", begrenzt von
der schweigenden, dem unbewegten Meere so ergreifend ähnlichen, in wunderbarem,
braunrötlichem Dunste verschwimmenden Wüste, das „Auge des Ostens"; blühend
durch Handel und Gewerbe.
Die früheren Hafenorte Phöniziens sind durch einen heftigen, von der afrikanischen
Küste kommenden Meeresstrom meist versandet, nicht jedoch Tripolis und das bedeutende
Beirut (120), das gerade vor der tiefsten Furche durch den Libanon liegt, durch welche
die Eisenbahn in 10 Stunden nach Damaskus führt; Ausfuhr von Seide.
Zu Syrien (Surija) gehört politisch
Palästina, d. i. das Land der Philister.
Von jeher ist Palästina ein Durchgangstarif» zwischen den beiden Ursitzen der
menschlichen Kultur, zwischen Babylonien und Ägypten, gewesen. Die Straßen aus dem
N. und N.O. vereinigten sich in der Ebene Jesreel (Esdrelon), auf der so häufig um
die Herrschaft über P. gekämpft worden ist. Ihre Fortsetzung führte durch das niedrige
Hügelland am s.ö. Fuße des Karmels in die Küstenebene hinab, und durch diese über
Gaza nach Ägypten. Auf diesen Straßen tauschten Babylonien und Ägypten die Güter ihrer
Kultur aus und riefen eine neue Kultur gemischten Gepräges hervor, die kanaanitische
oder phönizische, während die geradlinige Küste, die kaum einen guten Hasen besitzt,
1 D. i. arabisch — Tal. Der griechische Name dafür ist Coelesyrien, d. i. Hohles Syrien. Ghör
— Niederung.
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