Full text: Lehrbuch der astronomischen Geographie

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Kopernikus, daß er es wage, eine neue Lehre aufzustellen, die mit allem bisher Ge¬ 
lehrten in Widerspruch stehe; bei gründlicher und unbefangener Prüfung werde die¬ 
selbe aber Beifall finden. Es wurde aber diese Vorrede unterdrückt und eine andere- 
untergeschoben, in welcher die Ansichten des Kopernikus als Hypothesen dargestellt 
werden, durch die man die Wahrheit nicht erfahre, welche allein die göttliche Offen¬ 
barung zu geben vermöge; indessen führten dieselben zu einer Art der Berechnung, 
welche den Beobachtungen besser als die bisherigen Methoden entspreche. Das Werk 
ward anfangs von Paul III. günstig aufgenommen, später aber auf den Index der ver¬ 
botenen Bücher gesetzt und der Verbreiter der Lehre mit dem Bannfluche bedroht.. 
Allein endlich sollte die Wahrheit doch siegen. 
2. Das Kopernikanische System. Nach der Ansicht des Kopernikus ist nicht 
die Erde, sondern die Sonne der gemeinschaftliche Mittelpunkt aller Planetenbahnen. 
Um die Sonne bewegen 
sich von W nach O in 
immer größer werdenden 
konzentrischen Kreisen: 
1) Merkur, 2) Venus, 3) 
die Erde, um die wieder 
der Mond als Nebenplanet 
kreiset, 4) Mars, 5) Ju¬ 
piter und 6) Saturn, wie 
Fig. 94 darstellt. Über 
die genaueren gegensei¬ 
tigen Entfernungen war 
Zuverlässiges nicht be¬ 
kannt. 
Außer der Bewegung 
um die Sonne haben die 
Planeten, gewiß die Erde, 
eine Achsendrehung, und 
diese bewirkt den täg¬ 
lichen scheinbaren Um¬ 
schwung des Himmels von 
O nach W, sowie den 
Wechsel der Tageszei¬ 
ten, während die Bewe¬ 
gung der Erde um die Sonne die Jahreszeiten veranlaßt. Alle übrigen Bewegungen, 
namentlich die sogenannten Ungleichheiten der Planeten, sind dadurch veranlaßt, daß 
dieselben nicht von einem ruhenden, sondern von einem bewegten Standpunkte aus 
beobachtet werden, wie ähnliche Ansichten im Altertume schon Aristarchos von Samos 
(270 v. Chr.) ausgesprochen hatte. 
Das Kopernikanische System empfiehlt sich sofort durch seine Einfachheit. Daß 
sich der Wechsel von Tag und Nacht durch die Rotation, der der Jahreszeiten durch 
die Revolution der Erde um die Sonne zwanglos erklären läßt, haben wir schon ge¬ 
sehen. Es ist hier noch zu zeigen, wie auch die beiden Ungleichheiten der Pla¬ 
neten nach dem Systeme ihre Erklärung finden. 
Die erste Ungleichheit erklärte Kopernikus, wie Ptolemäus, durch den exzen¬ 
trischen Kreis. Daß diese Erklärung nicht stichhaltig ist, haben wir bereits gesehen, 
Fig. 94.
	        
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