Full text: Europa (Teil 2, Abt. 2)

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Hochalpen ist das Alpenglühen, welches an den Gipfeln und Schnee- 
'flächen der Alpen vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang 
erscheint. Bei Heilerin Wetter übertrifft die sogenannte „erste Färbung" 
im glänzendsten Rot das gleichzeitig vorhandene Abendrot. Die „zweite 
Färbung" beginnt, wenn die Gipfel nicht mehr direkt von den Sonnen- 
strahlen getroffen werden. Dann bilden die mattleuchtenden Schnee- 
flächen und die rötlichgranen Gesteinsmassen einen prachtvollen Gegen- 
iatz zn dem tiefvioletten Himmel. Die Erscheinung verschwindet, wenn 
die Sonne 5—6° tief unter den Horizont gesnnken ist.*) 
(>. Wegsamkeit. Die Alpen übertreffen an Wegsam- 
feit alle Hochgebirge der Erde. Es rührt dies von der reichen 
Talbildung, der günstigen Tallagerung und der tiefen Ein- 
schartnng der Kämme her. Man unterscheidet Längs- und 
Quertäler, Haupt- und Seitentäler. Die Längstäler folgen dem 
Hauptzug des Gebirges und find gewöhnlich tiefe, in möglichst gerader 
Linie sich hinziehende, breite nnd von hohen Bergen eingeschlossene 
Furchen, die mit allmählicher Steigung bis tief in das Herz des 
Gebirges führen. Die wichtigsten Längstäler bilden der obere Rhein 
und die obere Rhone, ferner Inn („Engadin"), Salzach, Mnr, Drau 
>nnd Save. Die Quertäler, welche mehr oder weniger einen rechten 
Winkel mit der Richtung der Hanptgebirgsmassen bilden und sie sogar 
durchschneiden, sind bei weitem großartiger nnd malerischer als die 
Längstäler, sind voll unregelmäßiger Felsstürze, steilwandig und meist 
viel kürzer als die Längstäler. Die wichtigsten Quertäler sind die 
der Reuß und Etsch, das Rheintal von Ehur bis zum Bodensee, die 
Rhone vou Martigny bis zum Geuferfee uud das Tal des Tessin. 
Der Wegsamkeit entspricht der Reichtum an Berkehrsstraßen.^*) Die 
ältesten derselben führen über die Pässe, tinter diesen ist das Stilsser 
Joch in den Ortleralpen mit 2700 m Höhe die höchstgelegene Kunststraße in 
den Alpen; andere sind der Mont Cenis-Paß, der Moni Gencvre, 
der kleine und der große St. Bernhard, die von Napoleon I.*"*) ge¬ 
schaffene breite Simplonstraß e und die Furkastraße, der St. Gvtt- 
.hardpaß, die Sp l ü g en st r a ß e, der Brenner mit Eisenbahn (1370 m) 
und der Semmering mit der Semmeringbahn. Die neue Brienz-Rothorn- 
Bahn (in den Emmentaler Alpen n. vom Brienzer See) erreicht die Höhe 
von 2252 m und ist somit die höchst gelegene Bahn Europas. — Die 
Wengernalpbahn im Berner Oberland, Zahnradsystem, ist reich an stets 
wechselnden Aussichten auf die Berner Hochalpen. — Dem Weltverkehr dienen die 
*) „Es sitzt die Königin hoch und klar 
Aus unvergänglichem Throne. 
Die Stirn umkränzt sie sich wunderbar 
Mit diamantener Krone. 
Drauf schießt die Sonne die Pfeile von Licht: 
Sie vergolden sie nur, sie erwärmen sie nicht." 
(Schiller, „Berglied ") 
*:;) Die wichtigsten alten „Römerstraßen" führten über den Mont Gencvre 
nach Gallien, über den Splügen in das s. und über die karnischen Alpen nach 
dem ö. Germanien. Nach dem Verfall der alten Römerstraßen bestanden bis in 
das 17. Jahrhundert die Alpenwege fast ohne Ausnahm? aus Saumpfaden. 
Seitdem sind zahlreiche Kunstwege angelegt. 
***) Napoleon J. erbaute und erweiterte 7 Heer- und Fahrstraßen über 
.die Alpen.
	        
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