Full text: Für die III. Klasse der Kinder (2. Theil)

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56. Der Häring. 
Die Grundgestalt des FischeS ist die eines Kahnes; sein Schwanz ist das 
Ruder und die Flogen dienen zum Steuern. Leicht ist die Bedeckung seiner 
Haut, schlüpfrig der ganze Körper, zugespitzt der Kopf und platt der Leib an 
beiden Seiten. Wie der Ballast in den Schiffen den untern Raum derselben 
ausfüllt, damit ste gesichert vor dem Umschlagen durch die Fluthen gleiten, so 
ist auch der kahnförmige Leib der Fische nach unten mit den Eingeweiden be¬ 
schwert, nach oben aber meistens durch eine Schwimmblase erleichtert. Diese 
liegt unter dem Rückgrat, ist mit Luft angefüllt und gewährt dem Fische großen 
Nutzen. Ein leiser Druck seiner Rippen reicht hin, die in der Schwimmblase 
enthaltene Luft zusammenzupressen, den Körper dadurch verhältnißmäßig schwe¬ 
rer zu machen und ihn plötzlich in die Tiefe hinabzusenken. Läßt der Druck 
nach, so dehnt sich die Luft wieder aus, und ohne Anstrengung wird der Fisch 
wie ein Ballon in die Höhe gehoben. So durchschneidet er das Waffer noch 
bequemer als der Kahn, den die Hand des Menschen gezimmert, und rudert 
mit den Flossen rascher als der Frosch, den die vier Ruderstangen seines Leibes 
ihrer Länge wegen mehr behindern. 
Unter diejenigen Fische, welche die vollkommenste Fischgestalt haben, ge¬ 
hört der Häring. Obwohl das Meer seine Heimat ist,, kennt ihn doch fast 
jedes Kind. Im hohen Norden ist er ganzen Völkerschaften das tägliche Brod, 
ja ihr einziger Reichthum. Seine Menge ist fast unglaublich. Die einzige 
Stadt Bergen in Norwegen verschickt manches Jahr allein 300,000 Tonnen 
Häringe in alle Welt. So dick und hart stehen oft die sogenannten „Härings- 
berge" an den Küsten Norwegens, daß leichte Boote, wenn sie daran gerathen, 
heftig erschüttert werden; so sehr werden alle Buchten zu Zetten von ihm an¬ 
gefüllt, daß die Leute ihn mit Händen und Eimern aus dem Meere schöpfen, 
wenn sie vorher die Buchten durch Netze, „Häringsschlösser", wie sie dieselben 
nennen, abgesperrt haben. An der ganzen Küstenstrecke Norwegens wimmelts 
von Menschen, wenn dieser Fisch erscheint. Ist er fortgezogen, so ist auch die 
Küste, die eben noch von Häringen und Menschen so bevölkert war, öde und 
verlassen bis zu der Zeit, wo er von neuem ankommt. Dann ergreifen wieder 
Tausende von Fischern das Ruder und stoßen vom User. Mit leeren Kähnen 
fahren sie hinaus, zum Sinken gefüllt bringen sie diese zurück. Und wie auf 
dem Meere die Kähne sich hin und her bewegen, oft drei hundert im Umfang 
einer Meile, so bewegen sich auf dem Lande Karren in zahlloser Menge nach 
dem User und von diesem zurück. Die Kähne bringen uemlich die Waare, die 
ihnen das Meer gereicht, ans Ufer; in Karren wird diese nun weiter transpor- 
tirt und zunächst in der Nähe des Strandes 31t Bergen aufgehäuft. Diese le¬ 
bendigen Berge, in denen es ans jedem Plinkte zuckt und schnavpt, sind um-
	        
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