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Zehn Lesestücke aus der geographischen Literatur.
Erzeugnisse. Aber schon vor Beginn unserer Zeitrechnung konnte man es einen Frucht-
Hain nennen. Und heute ist es in noch viel höherem Maße ein solcher. Gewiß, mit der
Vernichtung der Wälder werden auch manche an ihren Schutz gebundene Pflanzen
verschwunden sein, aber die Zahl der eingeführten oder eingewanderten und einge-
bürgerten ist sicher weit größer. Und es sind vor allem massenhaft verbreitete oder
besonders auffällige Pflanzen als künstlich eingebürgerte zu nennen, von der Dattel-
Palme der Wüste, die noch an der ligurischen Küste zahlreich vorkommt, von den Pa-
pyrus Ägyptens, den Agrumen, dem Zuckerrohr, der Baumwolle Indiens, den Ka-
melien, die an den Lombardischen Seen wundervoll gedeihen, den Mispeln Japans,
den Agaven und Opuntien Mexikos bis zu den Eukalypten und Akazien Australiens,
den Mesembrianthemen des Kaplands. Selbst vom Ölbaum, dem weißen Maul-
beerbaum und anderen heute die größten Schätze des Landes bildenden Gewächsen
wissen wir, daß sie erst in geschichtlicher Zeit durch den Menschen verbreitet worden sind.
Daneben die Tannenwälder des Nord-Apennin oder der Sila, die Buchenwälder
des Gargano, des Aspromonte und der Madonie. Was Italiens Klima hervorzurufen
vermag, das sieht man in den botanischen Gärten, etwa dem von Palermo oder dem
von Hanbury in La Mortola in Ligurien angelegten. Weiter ist aber auch bezeichnend,
daß Italien an seltenen und endemischen Arten arm ist.
Die Flora von Italien enthält etwa 15 000 Arten, wovon 4090 Gefäßpflanzen,
aber nur etwa 347 endemische, und diese meist in dem immergrünen Küstengürtel.
Man zählt mehr als 300 eingeführte und eingebürgerte Arten. Und gerade die ein-
geführten Nutzgewächse, vom weißen Maulbeerbaum und dem Reis der Po-Ebene
an, sind es, welche in dem Nordländer den Eindruck des Neuen, Fremdartigen, des
Südens hervorrufen. Charakteristisch für Italien und die Mittelmeerflora überhaupt
sind vor allem die zahlreichen immergrünen Holzgewächse, die geradezu einen immer-
grünen Gürtel längs der Küste bilden, soweit der die Winterkälte mildernde Einfluß
des Mittelmeers reicht, da sie sehr kälteempfindlich sind. Sie fallen dem meist nur
die Küsten besuchenden Nordländer am meisten auf, der in den Gebirgen des Innern
manchen Bekannten aus der Heimat finden würde. Dieser immergrüne Gürtel um-
faßt aber, so schlank die Halbinsel auch ist, kaum die Hälfte derselben, und die ihn be-
wohnenden etwa 2600 Arten sind auch kaum zur Hälfte mediterrane. Es sind Bäume,
meist von geringem Höhenwuchs, noch zahlreicher Sträucher, alle mit dunkelgrünen,
glänzenden, lederartigen, aber kleinen Blättern, die größten dem Lorbeerblatt ähnlich,
dann immer kleiner bis zu schuppenähnlichen Bildungen, ja völlig unterdrückter Blatt-
bildung, deren Aufgabe dünne, rutenartige Zweige oder gar Dornen übernehmen.
Wie der geringe Höhenwuchs, so ist auch das immergrüne Blatt und die Kleinheit
der Blattflüche, das für sehr viele charakteristische Ausscheiden ätherischer Ole, ein
Haarkleid u. dgl. m. ein Ausdruck der herrschenden Trockenheit und eine Schutzvor-
richtung gegen zu große Verdunstung. Der Ölbaum, welcher als edler Fruchtbaum
zwar eingeführt ist, aber wild, der Oleaster, ursprünglich im ganzen Mittelmeergebiet
heimisch ist, kann als bester Vertreter dieser immergrünen Holzgewächse gelten. Seine
Verbreitung gibt auch eine Vorstellung von der Ausdehnung des immergrünen Gür-
tels, der also nach 8 immer tiefer ins Innere und immer höher emporsteigt. Findet
sich der Ölbaum an den Lombardischen Seen in schmalem Gürtel bis etwa 400 m Höhe,
so ist er von der ganzen Po-Ebene, die als ein Übergangsgebiet von Mittel-Europa
zum Mittelmeergebiet angesehen werden kann, und am Fuße der Alpen durch die
Winterkälte ausgeschlossen, aber schon an der Riviera steigt er bis 603, in Sizilien bis
900 m empor. Kommt die Mediterranflora schon an der Riviera zur vollen Entfaltung,