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schnarrenden Ruf ertönen läßt und aus der Ferne der einförmige
Gesang der Frösche schallt.
6. Von den vierfübigen Tieren, die das Kornfeld bewohnen,
ist wohl das reizendste die zierliche Zwergmaus. Man könnte sie
das Dichhörnchen des Kornfeldes nennen, da sie mit der größten
Gewandtheit zwischen den Ahren klettert und auch über den
Boden ꝛwischen den Halmen sich ein kugliges Nest mit seitlichem
Eingange baut, in dem sie ihre zuerst überaus kleinen Jungen grob-
ment. Beim Klettern benutzt sie in zierlicher Weise ihren
Schwanz nach Art der Affen als Wickelschwanz, um sich damit
festzuhalten.
7. Haufig findet man im Kornfeld einsame Teiche einge—
schlossen, die wie helle Augen emporblicken, in denen sich monate-
lang nichts spiegelt als dis Wolken des Himmels oder ein vorüber-
fliegender Vogel. Zwischen Rohr und Wasserpflanzen, die den
crrand umkranzen, zieht hier das grünfüßige Wasserhuhn seine
niedlichen Jungen auf. An den schrãgen Abhängen wächst, üppig
Gras und Blumenwerk, und oben steht das reifende Korn wie eine
goldene Mauer ringsumher. Man hört nichts als das flüsternde
Wispern und Rauschen des Ahrenmeeres in der Runde; es ist, als
ob han auberhalb der Welt wäre. Das scheue Reh weib dies sehr
Vohl und verläßt darum im Sommer oft den Wald, um sich im
Kornfelde zu lagern, wo es am ungestörtesten ist.
8. Zuweilen ragt auch mitten aus dem hrenmeer wie eine
Insel ein puschbewaehsener, kleiner Hügel hervor oder ein Peld-
gehölz, an dessen Rande der Schlehdorn und die wilden Rosen
dlũhen. Hecken durchziehen es, in denen Grasmücken und Hänf-
linge nisten und wo der rotrückige Mürger auf einem schwanken-
den Zweige auf Raub lauert. Auf vielen Gütern findet man häufig
nock aus ãlterer Zeit die breiten und tiefen Abzugsgräben, die im
gommer ein Füllhorn von Blumen darbieten.
9. NMancherlei Sagen und Gebräuche knüpfen sich in allen
Gegenden an das Kornfeld. Besonders lieblich ist die Geschichte
vom Kornkinde, die man sich in der Schwei erzählt. — Lin
Bauer Cam an ein prächtiges Saatfeld und san dort auf weiben
WMinãeln ein hleines, hilfloses Kind liegen mit hellen, weigengelben
Löckohen. Das Kind lächelte ihn an und streckte ihm bittend die
Hãndehen entgegen. Der Bauer erbarmte sich seiner und wollte
es aufheben, um es mit heim zu nehmen. Da ward aber das RKind
Unter weinen Händen schwerer und schwerer; — er vermochte es
nieht einmal von der Erde aufzuheben. Zuletzt erglänzte es wie
Gold und sang: „—Hast wohl vertrauet, hast wohl gebauet, gebaut
auf Gott!“ und verschwand ihm unter den Händen.
Cann man wohl anmutiger den schwerer und schwerer werden—
den Segen des Kornfeldes darstellen?
Heinrich Seidel.