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Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
führt unser Weg über eine alte, steinerne Wupperbrücke. Welch wunderbare
Natur! hohe Berge mit reich bewaldeten hängen umschließen schützend das
herrliche Kleckchen Erde. Schade nur, daß hier die Wupper gar so düster drein-
schaut. Ein gar zu grause? Spiel haben auch die vielen Färbereien von Elberfeld
und Barmen mit der klaren Gebirgstochter getrieben und ihre silberhellen Zluten
getrübt, sie fast schwarz gefärbt. Nicht weit von Müngsten starren uns aus der
Waldeinsamkeit die gewaltigen Eisenpfeiler und der kühne Logen der berühmten
Kaiser-Wilhelm-Brücke entgegen. Unser Kaiser, der sie im Jahre
1897, als man den kW. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. feierte, dem Verkehr
übergab, benannte sie nach seinem siegreichen Großvater, dem Begründer Oes
Deutschen Neiches. Nieseneichen gleich streben die Pfeiler aus dem Dickicht
empor, während der eiserne Logen in einer Spannweite von 160 m den jähen
Abgrund der Wupper überbrückt. Würde man die höchste Kirche Solingens
darunter stellen, so berührte ihre Spitze den Logen nicht. Diese Riesenbrücke,
die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands und eins der berühmtesten Bauwerke
der Erde, stellt jetzt eine bequeme Verkehrsverbindung zwischen den gewerbreichen
Schwesterstädten Solingen und Remscheid her- während früher das zwischen
beiden liegende, breite und tiefe Tal dem Verkehr sehr hinderlich entgegentrat.
Eben fährt ein Eisenbahnzug über die Brücke dahin. „Wie winzig die Lokomotive
und die Wagen auf dem riesenhaften Werk erscheinen! Während der ganzen
Zahrt zittert ein dumpfes Nollen durch das Eisengerüst- es ist, als ob die Träger,
Schrauben und Nieten aus ihrem Schlaf erwachten und murmelten und murrten,
daß man sie hier für ein Werk von schwindelnder Kühnheit in den Dienst der
Menschen gezwungen hat."
„Eisenstarren Regenbogen
hat von Berg zu Berges Rand
Menschenzrverges winz'ge Hand
Kühn mit Maß und Zahl gezogen.
Gben blauen etv'ge Zernen,
Unten grünen Strauch und Saaten:
Zwischen Erdenstaub und Sternen
Webt der Geist die Riesentaten."
Weiter wandern wir, immer schöner wird die Landschaft, je höher wir
die steilen Kelsen emporklimmen, polternd und schäumend eilt aus den Rem-
scheider Bergen der tosende Mörsbach der Wupper zu. Ein beständiges pochen
und hämmern dringt aus seinem wildschönen Tale zu uns empor. Es rührt
von den Schleifkotten und Hammerwerken, die durch seine Wasserkraft getrieben
werden. Während die Schleifer in den Schleifkotten die Remscheider Eisen-
und Stahlwaren.- Sägen, Zeilen, Sensen, Sicheln, Schlittschuhe, Küchen- und
Ackergeräte schleifen, recken die rüstigen Uceister in dem großen, dämmerigen
Raum des Hammerwerkes den zur Herstellung der Waren notwendigen Stahl.
Tiefer und tiefer sinkt das goldene Taggestirn, langsam wallen weiße Nebel
aus den feuchten Gründen empor- des Zeierabendglöckleins lieblicher Klang
läutet das Tagwerk zur Ruh. Wir sind oben „im Dorfe"- mit diesem Namen